Neben den kurzfristigen Überlegungen zur Konjunktur und zum Bruttoinlandprodukt hat die UBS am Donnerstag eine Studie zur Bedeutung der Schweizer Industrie vorgelegt und damit zur langfristigen Wachstumsperspektive der Wirtschaft.
Die Studie sieht keine Anzeichen für eine generelle Deindustrialisierung der Schweiz. Zwar zeige sich der Trend einer Entwicklung vom sogenannten zweiten Sektor, der Industrie, hin zum dritten Sektor, den Dienstleistungen. Doch der Beitrag der Industrie zum Gesamtwohlstand der Schweizer Volkswirtschaft ist seit Jahren konstant.
Doch die Industrie hat sich seit 1998 tiefgreifend gewandelt und sehr unterschiedlich entwickelt. Einen substanziellen Verlust verzeichnet die Studie in Industriebranchen, die arbeitsintensiv sind und nicht auf Innovation setzen.
Hingegen konnten Branchen erhebliche Zuwächse verbuchen, die stark technologisiert sind, die auf Innovation und Qualität setzen, etwa die Uhrenindustrie, die Pharmabranche oder Hersteller von Präszisionsinstrumenten. Solche Branchen haben insgesamt eine Deindustrialisierung der Schweizer Wirtschaft verhindert, wie es in der UBS-Mitteilung heisst.
Eine solche Betrachtungsweise verlangt die Unterscheidung zwischen Wertschöpfung und Beschäftigung in der Industrie. Der Anteil der Schweizer Industrie an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung sei im betrachteten Zeitraum seit 1998 konstant gewesen, schreibt die UBS. Dies nicht zuletzt, weil innovative Branchen eine hohe Produktivität aufweisen.
Auch die Zahl der Industrie-Arbeitsplätze ist insgesamt betrachtet seit 1998 praktisch stabil geblieben. Allerdings hat es hier eine markante Verlagerung gegeben. Industrien, die arbeitsintensiv sind, haben ihre Produktion tendenziell ins billigere Ausland verlagert. Einfache Fliessbandarbeit gibt es kaum mehr in der Schweiz. In diesen Bereichen kam es zu massiven Stellenstreichungen. Im Gegenzug haben jedoch stark technologisierte Branchen an Stellenwert gewonnen und entsprechend Arbeitsplätze geschaffen.
Deshalb raten die Ökonomen der UBS dazu, dass sich Schweizer Unternehmer weiterhin auf ihre Stärken besinnen und auf «qualitätsorientierte, wertschöpfungsintensive Branchen» setzen. «Um weiterhin gegen eine Deindustrialisierung gefeit zu sein» tut die Schweiz gut daran, sich auf die Branchen zu konzentrieren, wo sie einen Wettbewerbsvorteil hat.
Herausforderung starker Franken
Dennoch sehen die Ökonomen künftige «grosse Herausforderungen». Bedroht seien die hiesigen Industriestandorte durch den starken Franken. So war der Franken im Vergleich zum Euro zwischen 2004 und 2009 unterbewertet. In dieser Zeit hat die Industrie 10 Prozent zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.
2010 kehrte sich das Bild: Der Franken ist seither überbewertet. Ohne diese Überbewertung wären heute 52’000 Stellen mehr in der Schweizer Industrie vorhanden, schreibt die UBS in ihrer Studie. Doch tatsächlich abgebaut wurden nur 6000 Stellen, bei insgesamt rund 700’000 Arbeitsplätzen in der Schweizer Industrie.
Zudem zeige sich in der Schweiz, wie in allen hochentwickelten Volkswirtschaften, ein Trend, dass Arbeitsplätze zusehends von der Industrie in den Dienstleistungsbereich verlagert werden. Bereits seit den 1960er Jahren verliert die Industrie auf dem Arbeitsmarkt an Bedeutung. War 1960 jeder dritte Job in der Industrie angesiedelt, so ist es heute nur noch jeder sechste. Dafür zeigt sich ein enormes Beschäftigungswachstum im Gesundheitssektor und im Sozialbereich.
Zudem gleichen viele Arbeitsplätze in den Industriebetrieben eigentlich einer Dienstleistung. Während früher Arbeiter am Fliessband standen, sind heutige Industrieangestellte in der Forschung und Entwicklung, im Einkauf oder im Marketing tätig. Damit nähert sich der zweite Sektor dem dritten an.
Hingegen hielten die Schweizer Industrieunternehmen seit Beginn der 1990er Jahre ihren Anteil an der Gesamtwertschöpfung der Wirtschaft konstant, bei rund einem Fünftel des Bruttoinlandprodukts. Dies gelang, weil die Schweiz ihre Industrieprodukte seit Beginn des Jahrtausends zusehends ins Ausland verkaufen kann. In den Exportstatistiken stehen jeweils Schweizer Uhren, Pharmaprodukte und Präszisionsinstrumente auf den vordersten Plätzen.