Fast zwei Wochen nach Inkrafttreten der Waffenruhe im Kriegsgebiet Donbass hat das ukrainische Militär nach langem Zögern mit dem Abzug schwerer Waffen begonnen. Der Rückzug der Militärtechnik ist ein zentraler Punkt des Minsker Friedensplans für die Ostukraine.
Unter Aufsicht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) würden 100-Millimeter-Kanonen abtransportiert, sagte ein Militärsprecher am Donnerstag. Das sei der «erste Schritt beim Rückzug der schweren Waffen». Die prorussischen Separatisten hatten bereits vor zwei Tagen den Rückzug von schwerem Gerät eingeleitet.
Damit scheint sich abzuzeichnen, dass die anfangs nicht eingehaltene Waffenruhe zwischen Regierungstruppen und Rebellen doch noch zustande kommt. Allerdings warnt die Kiewer Regierung, die Separatisten würden ihre Kräfte in die Region um die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer verlegen. Dort sei eine neue Offensive zu befürchten.
Die ukrainischen Streitkräfte verblieben deshalb «in voller Bereitschaft für die Verteidigung des Landes», wie der Generalstab bekanntgab. Die Aufständischen drohten ihrerseits mit Angriffen, sollten die Waffen doch nicht verlegt werden.
«Ideale Waffenruhe» gibt es nicht
Die ukrainische Führung hatte den Abzug der Geschütze tagelang abgelehnt, weil die am 15. Februar ausgerufene Waffenruhe brüchig sei. Eigentlich sollte dieser entscheidende Schritt für eine Deeskalation zwei Tage nach Beginn der Feuerpause einsetzen.
Damit soll eine Pufferzone im Konfliktgebiet entstehen. Trotz der Verlegung der grossen Geschütze bleiben Kämpfer in Frontnähe bewaffnet.
Die Lage an der Front scheint sich seit Mittwoch beruhigt zu haben. Ein Sprecher der Armee erklärte am Donnerstag, am zweiten Tag in Folge sei kein Soldat bei Kampfhandlungen gestorben. Die Einhaltung der Waffenruhe über zwei Tage hinweg war von der Regierung in Kiew als Bedingung für den Abzug der Waffen genannt worden.
Druck des Westens und Russlands
Russlands Aussenminister Sergej Lawrow hatte die zögerliche Haltung der prowestlichen Führung in Kiew zum Waffenabzug aus dem Donbass als «lächerlich» abgetan. «Jeder versteht, dass es dort keine ideale Waffenruhe und kein ideales System zum Einstellen der Kämpfe gibt», sagte er in Moskau.
Der Westen und Russland hatten die Konfliktparteien mehrfach mit Nachdruck zum Abzug des Kriegsgeräts aufgefordert. Die Aufständischen hatten nach eigener Darstellung bereits grosse Teile ihrer Geschütze von der Front verlegt.
OSZE-Beobachter bestätigten dies nicht. Die Beobachter könnten weiterhin Brennpunkte in der Krisenregion aus Sicherheitsgründen nicht begehen.
Laut der OSZE kehren mittlerweile mehr vor der Gewalt geflohene Menschen zurück in ihre Heimatregion als dass Menschen fliehen. Die Rückkehr der Menschen sei auf eine «Verbesserung der Sicherheit und der Stabilität in der Region» zurückzuführen, hiess es am Donnerstag.
Militärberater auch aus Polen
Wegen der weiterhin angespannten Lage in der Ostukraine will nach Grossbritannien nun auch Polen möglicherweise Militärberater nach Kiew schicken. Dies stellte Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak in Aussicht.
Die Ankündigung Grossbritanniens, Armeeausbilder in die Ukraine zu entsenden, hatte grossen Ärger in Russland ausgelöst. Moskau sieht in einer militärischen Beteiligung von NATO-Staaten oder möglichen Waffenlieferungen an Kiew eine Gefahr seiner Sicherheit.
Der NATO-Oberbefehlshaber in Europa, Philip M. Breedlove, warnte vor einer «dramatischen Eskalation» des Konflikts. Russlands Präsident Wladimir Putin schicke weiterhin Kriegsgerät in die Ostukraine, sagte er in Washington.
US-Aussenminister John Kerry erklärte bei einer Anhörung im Kongress, die USA seien zu weiteren Sanktionen gegen Russland bereit. Dies hänge davon ab, wie der Friedensplan umgesetzt werde.