Jungs machen Party, Mädchen wollen Probleme vergessen. Der kleine Unterschied zeigt sich, wenn Jugendliche trinken oder Tabletten schlucken. Sucht lauert auch, wenn Mädchen mager und Jungs stark werden. Filme von Jugendlichen für Jugendliche sollen die Kids abholen.
«Im Usgang isch är en ganz en andere Mänsch. So cool und ung’hemmt. Mainsch, är liebt mi au, wenn i nüt spicke», fragt eine etwa 15-jährige Jugendliche in «Bis hierher…». Hinter dem im Internet mit umfangreichen Begleitmaterialien veröffentlichten Kurzfilm steckt Sucht Schweiz.
Für 13- bis 16-Jährige
Die Organisation will mit der an 13- bis 16-Jährige gerichteten Kampagne «eine Lücke in der geschlechterspezifischen Suchtprävention» schliessen, wie sie am Montag vor den Medien in Bern erklärte. Fünf Filme und Unterrichtsmaterialien dazu hat Sucht Schweiz veröffentlicht.
Zwei Filme richten sich an Mädchen, zwei an Jungs und einer an beide Geschlechter. «Je näher die Prävention bei den Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen ist, desto wirksamer ist sie», sagte Sucht-Schweiz-Direktorin Irene Abderhalden.
Zwei Sixpacks: typisch Mann?
Um diese Lebenswelten nah abzubilden, arbeiteten viele Jugendliche mit: Schulklassen, Pfadfinder und Jugendliche in Jugendtreffs. Sie halfen bei der Auswahl der Themen, redeten beim Drehbuch und beim Filmdreh mit, wie die Produktionsleiterin von Sucht Schweiz, Marie-Louise Ernst, sagte.
So geht der Film «Voll stark!» der Frage nach, was «ein richtiger Mann» ist. «Wir zeigen damit den Jungen, dass ihr Verhalten auch etwas mit ihrem Geschlecht zu tun hat. Bei den Jungs kann das heissen, zwei Sixpacks zu haben: eines in der Hand und eines am Bauch», sagte Ernst.
Gemäss einer von Sucht Schweiz 2014 durchgeführten Schülerbefragung möchten 77 Prozent der Jungen mehr Muskeln. Über die Hälfte betreibt deswegen aktiv Muskelaufbau. Von diesen wiederum sind 90 Prozent sportlich unterwegs, 24 Prozent versuchen es zudem über die Nahrung zu steuern und weitere 13 Prozent nehmen Nahrungsergänzungsmittel zu sich.
Mager gleich schön
Bei den Mädchen geht es im Film «In meiner Haut» um Schönheit und Körperbild. Beinahe die Hälfte der 13- bis 15-Jährigen denken, dass sie abnehmen müssen oder haben bereits mindestens einmal etwas unternommen, um abzunehmen, wie Schülerstudie zeigt.
Mit Hilfe der Filme sollen die Jugendliche Geschlechterstereotypen hinterfragen. Danach sind Lehrpersonen, Jugendarbeiter, Schulsozialarbeiter oder auch Eltern gefragt.
Arbeit an der Front
Ein Lehrer kann einhaken, wenn er ein Signal empfängt: Wenn Silvan, dessen Muskeln zuletzt rasch gewachsen sind, den Lehrer auf dessen Muskeln anspricht, wie Reto Pfirter von der Jungen und Mädchenpädagogik JUMPPS sagte.
«In diesem Moment, kann der Lehrer den Film zeigen», sagte er. «Idealerweise ist noch eine Schulsozialarbeiterin im Haus, man kann die Klasse trennen und die Mädchen schauen einen anderen Film.»
Danach können die Unterrichtenden mit den Begleitmaterialien arbeiten. In Diskussionen hinterfragen die Jugendlichen zunächst ihr eigenes Verhalten. «Wichtig ist, dass sie ihre eigenen Geschichten erzählen können.»
Neue Handlungsmuster können in einem nächsten Schritt mit Rollenspielen und Übungen in Wahrnehmung und Achtsamkeit immer wieder geprobt werden. «Ich höre immer wieder ‚hey, ich fühl’s im Fall‘ von den Jugendlichen», sagte Pfirter. Falle ein Jugendlicher aber durch Konsum auf, müsse eine Lehrperson auch Widerstand leisten.