Nach seinem ersten Triumph am US Open macht Stan Wawrinka ein verblüffendes Geständnis: Bevor er auf den Platz ging und Novak Djokovic bezwang, weinte er, weil er die Last des Drucks spürte.
Stan Wawrinka, Sie sehen glücklich aus.
(lacht) «Ja, hoffentlich bin ich nach einem solchen Sieg glücklich.»
Was bedeutet dieser Sieg für Sie?
«Es ist ein Wahnsinn. Ich hatte vor dem Final schon so viel Zeit auf dem Platz verbracht, und ich wusste, dass dies gegen Djokovic ein wirklich harter Kampf wird. Nicht nur in Sachen Tennis, auch physisch und mental. Ich liess in den letzten zwei Wochen alles auf dem Platz, nach dem Spiel war ich völlig leer. Heute versuchte ich, hart zu mir selber zu sein. Ihm nichts zu zeigen, keine Zeichen des Schmerzes. Ich litt sehr, aber ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe.»
Jetzt fehlt Ihnen nur noch Wimbledon zum Karriere-Grand-Slam.
«Und jetzt? Soll ich mich nur noch auf Wimbledon konzentrieren? (lächelt) Es gibt nur einen Plan: Mich zum Maximum des Möglichen zu pushen. Ich bin nicht gut genug um zu sagen: Okay, ich werde dieses Jahr ein Grand-Slam-Turnier gewinnen. Ich habe nie davon geträumt, bei einem Grand Slam zu gewinnen. Das war für mich viel zu weit entfernt. Ausserdem möchte ich daran erinnern, dass ich in Wimbledon noch nie weiter als in den Viertelfinal gekommen bin.»
Sie spielen immer im Final Ihr bestes Tennis. Wie schaffen Sie das?
«Jedes Mal, wenn ich ein Spiel gewinne, steigt mein Selbstvertrauen. In Grand Slams mit den Best-of-5-Spielen hat man ein bisschen mehr Zeit, Fehler zu machen. Das ist gut für mich. Wenn ich dann im Final bin, weiss ich, dass mein Spiel da ist, wo es sein muss. Vor diesem Final war ich so nervös wie nie zuvor. Als ich vier oder fünf Minuten vor dem Match mit Magnus (Norman, Wawrinkas Coach; d. Red.) sprach, begann ich zu weinen. Ich zitterte am ganzen Körper. Aber ich war überzeugt, dass mein Spiel da ist, dass ich physisch bereit bin.»
Warum waren Sie so nervös?
«Ich bin ja nicht mehr der Jüngste (31-jährig; d. Red.). Da will man jede Chance nutzen, die sich einem bietet. Wenn du im Final bist, bist du gleichzeitig so nah und so weit weg vom Pokal. Deshalb war ich so angespannt.»
War das vor den anderen beiden Grand-Slam-Finals ähnlich?
«Vor dem French-Open-Final 2015 war es ähnlich, aber nicht so extrem. Vor dem Final am Australian Open war ich viel lockerer. Da fühlte ich keinerlei Druck. Ich wollte natürlich gewinnen, aber ich war schon glücklich, im Final zu sein.»
Sie haben in den letzten Tagen viel vom Leiden gesprochen.
«Das war mental und physisch das anstrengendste Turnier meines Lebens. Vor allem in den letzten drei Matches musste ich an meine absolute Grenze gehen. Ich habe mich gequält wie noch nie.»