Eine Alphirtin ist in der Nacht auf Freitag im bündnerischen Misox in einem Felssturz umgekommen, der auf die Alp del Lago niederging. Ihr Mann und ihre zwei Kinder überlebten unverletzt. 20 Personen wurden von der Alp mit Helikoptern evakuiert.
Die Felsmassen lösten sich gemäss Polizei um halb drei Uhr in der Nacht aus einer Steilwand oberhalb der Alp. 50’000 bis 100’000 Kubikmeter Gestein donnerten hinunter. Das Volumen entspricht 50 bis 100 Einfamilienhäusern.
Die Felsbrocken walzten eine breite Schneise in den Wald und kamen auf der Alp zum Stillstand. Zwei lieferwagengrosse Brocken rollten bis unmittelbar neben das Alpgebäude.
Als die Hirtenfamilie aus dem Steinhaus floh, wurde die 38-jährige Frau gleich neben dem Bau von einem der Riesenfelsen tödlich getroffen. Sie hielt dabei ihre zweijährige Tochter in den Armen. Das Kleinkind überlebt wie durch ein Wunder unverletzt.
Erfahrene Alphirten
«Tragischerweise wäre die Frau noch am Leben, wenn die Familie im Alpgebäude geblieben wäre», erklärte Polizeisprecherin Anita Senti der Nachrichtenagentur sda. Mit der Bergwelt war die junge Familie vertraut. Sie führte die idyllisch an einem Bergsee gelegene Alp seit vielen Jahren.
Mehr Glück hatten die Teilnehmer eines WWF-Jugendlagers, die auf der Alp in Zelten schliefen. Die 13 Kinder im Alter zwischen zehn und 13 Jahren und die vier Leiter konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen, teilweise mit nichts als dem Pyjama am Leib. Die Rega und die Heli Rezia flogen sie und die drei überlebenden Familienmitglieder am Freitagmorgen ins Tal hinunter.
Die Helikopter waren mehrere Stunden im Einsatz. An den Rettungsarbeiten war auch der Rettungsdienst der SAC-Sektion San Bernardino beteiligt. Zur Betreuung der Betroffenen wurden das Care-Team Grischun und die Stiftung Scisma aufgeboten.
Gebiet war als Gefahrenzone ausgeschieden.
Das Gebiet über dem Alpgebäude war als «steinschlägig» bekannt, wie der Geologe Ruedi Münger auf Anfrage erklärte. Der Fachmann wurde vom Bündner Amt für Wald und Naturgefahren zur Beurteilung der Situation beigezogen.
Die Alp war laut Münger als Gefahrenzone ausgeschieden. «Dass sich ein Felssturz in dieser Grössenordnung ereignen würde, war allerdings nicht zu erwarten», sagte er. Es handle sich um ein Ereignis, dass im Durchschnitt nur alle 500 bis 1000 Jahre auftrete.
Weil weiterhin Steinschlaggefahr herrscht, bleibt das Gebiet rund um die Alp bis auf weiteres gesperrt. Offen bleibt der Wanderweg durch das Cama-Tal. Er ist durch den See vom Steinschlaggebiet geschützt. Münger rechnet damit, dass sich die Gefahr in einigen Wochen abschliessend beurteilen lässt.