Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) schockt die Schweizer Wirtschaft. Die hiesige Konjunktur dürfte im Sommerhalbjahr eine kurze Rezession durchmachen, prognostiziert die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF).
Für das Gesamtjahr 2015 rechnen die Konjunkturauguren mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 0,5 Prozent, wie sie am Mittwoch in einem Communiqué bekanntgaben. Vor der Aufhebung des Euro-Mindestkurses hatten die Ökonomen noch ein Wachstum von 1,9 Prozent erwartet.
«Allerdings muss betont werden, dass heftige Schocks wie eine abrupte Währungsaufwertung um 20 Prozent die Prognosegüte von Konjunkturmodellen beeinträchtigen», warnt die KOF.
Einbruch der Exporte
Die Konjunkturforscher rechnen wegen der Franken-Hausse mit einem Einbruch der Exporte um 1,4 Prozent. Neben den Warenexporten würden der Tourismus und die Finanzdienstleistungen leiden. Gleichzeitig führe der Zerfall der Ölpreise zu einem Einbruch der Erlöse aus dem grösstenteils von der Schweiz aus abgewickelten internationalen Ölhandel.
Die Firmen würden nicht sofort auf die geringere Nachfrage aus dem Ausland reagieren, sondern zunächst auf Lager produzieren. Ab dem zweiten Quartal dürfte dann aber die Produktion eingeschränkt werden.
Die Exporte würden kurzfristig einbrechen, könnten aber später wieder vom Anziehen der Weltwirtschaft profitieren. Diejenigen Kunden, die Schweizer Produkten trotz des teuren Frankens die Treue hielten, würden ihre Nachfrage mit der Zeit wieder erhöhen.
Allerdings erreiche die Nachfrage nicht mehr das Niveau wie vor der Franken-Aufwertung. Im nächsten Jahr dürften die Exporte wieder um 2,8 Prozent wachsen. Das ist deutlich weniger als die KOF bislang erwartet hatte (+4,8 Prozent).
Schockwellen ins Inland
«Der aussenwirtschaftliche Schock überträgt sich auf das Inland», hiess es weiter. Dabei halte sich der private Konsum angesichts sinkender Preise und des Einkaufstourismus zunächst noch gut. Der private Konsum dürfte heuer aber lediglich noch um 1,3 Prozent zulegen, nachdem die KOF bislang ein Wachstum von 2,1 Prozent vorhergesagt hatte.
Investitionen in Ausrüstungen würden zunehmend zögerlich getätigt, weil die abrupte Aufwertung des Frankens den Produktionsstandort Schweiz noch unattraktiver gemacht habe, der bereits durch die Zweifel am Fortbestand der bilateralen Verträge mit der EU gebeutelt sei. Die Investitionen in Ausrüstungen dürften 2015 stagnieren und im nächsten Jahr um 3 Prozent absacken, schätzte die KOF.
Gleichzeitig werde sich die Lage auf dem Bau eintrüben. Dies stehe aber in keinem Zusammenhang mit der Franken-Aufwertung, sondern habe sich bereits im vergangenen Jahr abgezeichnet. Die Bauinvestitionen dürften 2015 um 1,4 Prozent schrumpfen.
Mehr Arbeitslose
Zudem verdüstert sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt markant. Denn die angespannte Lage der Unternehmen bedeute Steuerausfälle für die öffentliche Hand. Deshalb würden die öffentliche Verwaltung sowie das Bildungs- und Gesundheitswesen, die seit der Finanzkrise zu den Jobmotoren gehört hätten, immer weniger Arbeitskräfte nachfragen. Gleichzeitig würden im privaten Sektor Stellen abgebaut, hiess es.
Die Arbeitslosenquote werde von 3,2 Prozent im vergangenen Jahr auf 3,4 Prozent steigen. 2016 werde sie gar 4,1 Prozent erreichen, schätzt die KOF.
Die Verschlechterung der Beschäftigungslage drossele Lohnerhöhungen und lasse nächstes Jahr das gesamte Arbeitnehmereinkommen stagnieren. «Darauf reagieren die Privathaushalte in zunehmenden Mass mit Konsumzurückhaltung trotz sinkender Preise», schreibt die KOF. Im nächsten Jahr dürfte sich das Wachstum des Privatkonsums auf 0,2 Prozent abschwächen.
Insgesamt rechnet die KOF mit einer Stagnation des BIP im nächsten Jahr. Bislang hatten die Konjunkturforscher für 2016 ein Plus von 2,1 Prozent vorhergesagt.
Auch Grossbanken senken Prognose
Mit ihrer Prognosesenkung ist die KOF nicht alleine. Zuvor hatten bereits die UBS und die Zürcher Kantonalbank (ZKB) ihre BIP-Prognose für 2015 auf 0,5 Prozent gestutzt. Die Credit Suisse rechnet mit einem Plus von noch 0,8 Prozent.