Komatrinker sollen Spitalkosten nicht selber zahlen müssen

Wenn jemand wegen einer Alkoholvergiftung notfallmässig im Spital behandelt werden muss, soll die Krankenkasse die Kosten dafür weiterhin übernehmen. Der Bundesrat lehnt eine Vorlage aus dem Parlament ab, die dies ändern will.

Wer nach viel zu vielen Drinks in der Ausnüchterungszelle oder im Spital landet, soll nicht selber für die Kosten aufkommen müssen. Dies schlägt der Bundesrat vor - er widerspricht damit den Parlamentskommissionen (Symbolbild). (Bild: sda)

Wenn jemand wegen einer Alkoholvergiftung notfallmässig im Spital behandelt werden muss, soll die Krankenkasse die Kosten dafür weiterhin übernehmen. Der Bundesrat lehnt eine Vorlage aus dem Parlament ab, die dies ändern will.

Eigenes Verschulden sei heute kein Kriterium dafür, ob die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten übernehme oder nicht, teilte die Regierung am Mittwoch mit. «Eine Ausnahme bei übermässigem Alkoholkonsum käme einem Systemwechsel gleich und wäre mit dem Verfassungsgrundsatz der Rechtsgleichheit schwer vereinbar.»

Zudem seien weder die Wirksamkeit einer solchen Massnahme erwiesen noch die finanziellen Auswirkungen geklärt. Weiter befürchtet der Bundesrat, dass sich insbesondere Jugendliche und Personen aus bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen spät oder gar nicht in Behandlung begeben könnten, wenn sie die Kosten selbst tragen müssen.

Kommissionen wollen Richtungswechsel

Die Gesundheitskommissionen beider Räte wollen dagegen einen Wechsel bei der medizinischen Notversorgung wegen Alkoholvergiftung vollziehen. Wer zu viel trinkt und deshalb ins Spital oder in die Ausnüchterungszelle muss, soll für die Kosten künftig selber aufkommen.

Die Kommissionen hatten sich für die im März 2010 von Nationalrat Toni Bortoluzzi (SVP/ZH) eingereichte parlamentarische Initiative ausgesprochen. Medizinische Behandlungen als Folge von übermässigem Alkoholkonsum seien grundsätzlich selbst verschuldet, lautete der Tenor. Deshalb sollten die Betroffenen die Kosten auch selber bezahlen.

Der Vorentwurf der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit erntete in der Vernehmlassung heftige Kritik. Mit einer Ausnahme sprachen sich alle Kantone gegen die Vorlage aus. Dagegen sind auch fast alle Leistungserbringer, drei Konsumentenschutzorganisationen sowie weitere Organisationen.

Eingeschlagenen Weg weiterverfolgen

Der Bundesrat gibt in seiner Stellungnahme zum Parlamentsvorschlag zwar zu, «dass im Umgang mit Alkoholmissbrauch Probleme bestehen». Das im Jahr 2008 verabschiedete Nationale Programm Alkohol (NPA) sorge aber für ein koordiniertes Vorgehen in der Alkoholpolitik.

In diesem Rahmen würden gegenwärtig Empfehlungen erarbeitet, wie die zuständigen Stellen (Spitäler, Polizei, Suchtberatung) bei Alkoholvergiftungen vorgehen und zusammenarbeiten sollten.

Wie die Chancen für die Kostenbeteiligung im Parlament stehen, ist offen. Bei der Beratung des Alkoholgesetzes hatte der Nationalrat einen ähnlichen Antrag aus den Reihen der SVP abgelehnt. In der Vernehmlassung überwog auch bei den politischen Parteien – ausser bei der SVP und der FDP – die Skepsis.

Hohe Behandlungskosten

Im Jahr 2012 wurden insgesamt rund 12’000 Personen wegen übermässigen Alkoholkonsums notfallmässig im Spital behandelt. Über 90 Prozent der Patienten waren über 23 Jahre alt. Rund drei Viertel davon hatten nicht nur übermässig Alkohol getrunken, sondern litten beispielsweise auch an Alkoholabhängigkeit, psychischen Störungen sowie Verletzungen durch Gewalt oder Unfälle.

Eine Überdosisbehandlung ist teuer. Das Universitätskinderspital beider Basel rechnet mit durchschnittlich rund 1600 Franken.

Nächster Artikel