Kommentarkultur – Raum schaffen für Debatte

Immer wieder gibt es Diskussionen um die Frage, wie man mit Kommentaren im Internet umgehen sollte. Allen gerecht zu werden, ist kaum möglich. Aber wie kann man einen für alle Beteiligten akzeptablen Modus finden? Immer wieder gibt es Diskussionen um die Frage, wie man mit Kommentaren im Internet umgehen sollte. Allen gerecht zu werden, ist […]

Kommentarkultur im Internet: Konstruktives Streiten.

Immer wieder gibt es Diskussionen um die Frage, wie man mit Kommentaren im Internet umgehen sollte. Allen gerecht zu werden, ist kaum möglich. Aber wie kann man einen für alle Beteiligten akzeptablen Modus finden?

Immer wieder gibt es Diskussionen um die Frage, wie man mit Kommentaren im Internet umgehen sollte. Allen gerecht zu werden, ist kaum möglich. Aber wie kann man einen für alle Beteiligten akzeptablen Modus finden?

Ein bisschen kann man Kommentare im Internet mit den Diskussionen vergleichen, wie sie auch heute noch am Kneipentisch geführt werden. Der Austausch an der Theke der Stammbeiz wird ersetzt durch die Diskussion mit Menschen, die man – und hier liegt der Unterschied – wahrscheinlich noch nie persönlich getroffen hat. Allerdings bekommt das geschriebene Wort ein stärkeres Gewicht als beim biergeschwängerten Wettern, über das sich Stunden später kaum noch jemand Gedanken macht.

Kommentare sind noch lange später auffindbar

Im Internet ist ein Kommentar jedoch nicht so schnell vergessen. Der Artikel mit den dazugehörigen Leserkommentaren ist nicht nur häufig noch Jahre später über Google zu finden, sondern auch Nutzernamen und Phrasen aus den Kommentaren tauchen bei Suchanfragen wieder auf.

Dies ist auch einer der Gründe, weshalb die Betreiber der jeweiligen Websites Kommentare moderieren: Sie sind juristisch verantwortlich für die Inhalte, die auf ihrer Seite stehen. Und die Nutzerkommentare gehören ebenfalls dazu. Hinzu kommt natürlich, das kein seriöses Webportal sich gerne sagen lassen möchte, es hätte z.B. rassistische Parolen auf seiner Seite stehen. 

Besonders emotional geführte Debatten spiegeln sich auch in besonders emotionalen Kommentaren, ob es um das Minarett-Verbot geht, um Änderungen des Scheidungsgesetzes oder aktuell um die Einwanderungs-Initiative. Ebenso lösen Artikel zu tragischen Unglücksfällen (besonders wenn sie selbstverschuldet sind) oder zum Umgang mit Straftätern oft eine Flut von hasserfüllten Kommentaren aus. 

Wie fördert man eine massvolle Debattenkultur?

Die Frage ist: Wie fördert man eine massvolle Debatte, in der alle Diskutierenden zu Wort kommen und in der verschiedene, auch entgegengesetzte Meinungen bestehen können?

Natürlich ist es zu begrüssen, wenn der Standpunkt des Autors hinterfragt wird und sich Skeptiker äussern, die zum Beispiel anzweifeln, dass das Zusammenleben von Flüchtlingen und Einheimischen gut funktioniert. Das Problem ist dabei nicht die Meinung, die der des Autors oder der Linie des Blattes widersprechen mag, häufig ist es vielmehr die Ausdrucksweise des Kommentators und die implizierte Motivation der Betroffenen. Dies muss durchaus nicht nur auf im rechten Spektrum verortete Nutzer zutreffen, sondern betrifft eher den generellen Umgangston untereinander und gegenüber den im Artikel Dargestellten.

Klarnamen ja oder nein?

Meiner Meinung nach hat es keinen grossen Einfluss auf das Niveau der Diskussion, ob die Nutzer mit ihrem Klarnamen angemeldet sind oder mit einem Pseudonym. Wer eine Diskussion aufheizen oder sogar torpedieren will, tut dies wahrscheinlich auch mit Klarnamen, wenn er die feste Absicht hat. Es liegt in der Natur des Internets, dass die Hemmschwelle zu Beleidigungen oder Anfeindungen gesenkt ist, weil man den Betreffenden nicht direkt vor sich hat. Eine Faustregel für das Schreiben von Kommentaren lautet: «Schreibe nur, was du dem Adressaten auch ins Gesicht sagen würdest.»  

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass viele der Kommentatoren, die unter die Kategorie «Pöbler» fallen könnten, sich – bestenfalls – nicht bewusst sind, dass andere sie als übergriffig wahrnehmen. Wenn man erst einmal wirklich überzeugt ist von seiner Mission, fühlt man sich von jeder Einschränkung selbst wiederum angegriffen. Der Vorwurf der Zensur an den Websitebetreiber ist dann nicht mehr weit. Häufig wird an dieser Stelle ein Zitat von Rosa Luxemburg angebracht: «Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.» In den Diskussionen scheint die eigene Freiheit dem einen oder anderem dann allerdings doch einiges wichtiger zu sein. 

Worin unterscheiden sich Trolle von anderen übergriffigen Nutzern?

Über die blosse Pöbelei hinaus gehen Trolle, denen es weniger um den Austausch mit anderen geht, als vielmehr darum, die Diskussion aufzuheizen und nach Möglichkeit zu beherrschen: Alle Beteiligten sollen sich mit dem Troll beschäftigen. Schwierig ist an dieser Debatte auch, dass die Definitionen hier gar nicht klar sind: Was ist ein Troll, und wie grenzt man ihn von anderen ausfällig werdenden Nutzern ab? Nicht zuletzt bleibt die Frage, was man dann mit dem als Troll identifizierten Nutzer macht. Es gibt auch Stimmen, die Trollen positive Aspekte abgewinnen und sagen: «Trollen kann auch eine Kunst sein

Der junge Schweizer Fernsehsender joiz scheint eine gute Lösung gefunden zu haben, aber ganz ohne Löschungen und Sperrungen von Nutzern geht es auch hier nicht. Bekannt ist das Prinzip von Zeit Online, unzulässige Kommentare zu löschen und mit einem Hinweis auf den Grund zu versehen. 

Dem Ausfälligen sagen, dass er zu weit gegangen ist

Jeder Mensch hat wohl seine persönliche Grenze, die er gewahrt sehen will. Unter normalen Umständen reicht es meistens, dem Mitdiskutierenden klar zu machen, dass er/sie zu weit gegangen ist, und die eigentliche Debatte kann weitergehen. Im Idealfall ist nach einer Entschuldigung alles vergessen. Im Internet sind aber die Bedingungen etwas anders: Der bereits angeführte unpersönlichere Charakter des Austauschs, die Möglichkeit, hitzige Wortwechsel immer wieder nachzulesen und die Lust an der Provokation machen das Einlenken bei Streitereien nicht leicht bzw. sehen die meisten Trolle Einlenken gar nicht als Möglichkeit an.

Was tun mit übergriffigen Kommentaren?

Was kann man als Seitenbetreiber – oder als Community Redaktor – in einer solchen Situation tun? Die Diskussion «zensieren», wie es die Nutzer oft nennen? Die Kommentarmöglichkeit ganz abschalten? Laufen lassen? (Wie es häufig bei Debatten auf Facebook oder youtube geschieht.) Oder sich darauf beschränken, die Nutzer zur Bedachtsamkeit aufzurufen? 

Selbst die Idee, unmoderierte Kommentare nur hinter einer Bezahlschranke zu erlauben, gibt es. Das Konzept erscheint allerdings fragwürdig, denn es vermittelt den Eindruck, dass übergriffige Kommentare unter gewissen Umständen doch in Ordnung sind. Abgesehen davon würde der Betreiber in Schwierigkeiten geraten, wenn Nutzer sich gegenseitig für Kommentare anzeigen. Denn verantwortlich für den Inhalt des «Darkrooms» wäre er ja immer noch. 

Nutzer wollen gehört werden – gerade auch von der Redaktion

Ein wichtiger Lösungsansatz ist, dass die Nutzer das Gefühl bekommen sollten, dass die Journalisten an ihrer Meinung ernsthaft interessiert sind und ihre Kommentare auch tatsächlich lesen. Darüber hinaus zentral ist, dass die jeweiligen Autoren sich an der Debatte beteiligen. Das unterstützt eine anspruchsvolle Diskussion und Trolle verlieren schneller das Interesse. 

Unser Kerngedanke ist, Kommentare sollten im Idealfall eine weitere Ebene des journalistischen Angebots einer Nachrichtenseite sein, nicht das Stiefkind, wie es bisher bei vielen Nachrichtenportalen der Fall war oder ist: Die Kommentarfunktion wird inzwischen zwar meist als selbstverständlich angesehen, aber es findet keine wirkliche Interaktion mit der Redaktion oder der Leser untereinander statt. Stattdessen sind die mehr schlecht als recht moderierten Kommentarseiten ein eher vernachlässigter Bestandteil der Website, eine Art Anhängsel unter den Artikeln.

Wir von der TagesWoche sind besonders an Ihrer Meinung interessiert

Bei der TagesWoche orientieren wir uns an dieser Maxime: Der Leser soll sich ernst genommen fühlen als Gegenüber, als Diskussionsteilnehmer. Deswegen lege ich als Community-Redaktorin besonders viel Wert auf den Austausch. Gerne können Sie mir eine E-Mail schicken oder unter diesem Artikel kommentieren. 

Wir verlinken besonders interessante Beiträge als Zitate auf der Startseite und drucken eine Auswahl in der Print-Ausgabe ab. Die Community-Mitglieder können eigene Texte einschicken, die wir in einem eigenen Blog, Speaker’s Corner, veröffentlichen. Weiterhin können Leser die Redaktion per E-Mail erreichen, abgesehen natürlich von der zentralen Funktion: den Kommentaren unter den Artikeln.

Wenig eingreifen, besser mit diskutieren

Wir bemühen uns, möglichst wenig zu moderieren. Manchmal weisen wir darauf hin, wenn wir denken, dass die Debatte sehr hitzig wird und aus dem Ruder zu laufen droht. Wenn es zu Ausfälligkeiten kommt, bevorzugen wir das Kürzen von Kommentaren, um möglichst viel Inhalt des ursprünglichen Kommentars zu erhalten. Enthält der Kommentar zu viele Ausfälle, ersetzen wir den ganzen Text durch einen Löschungshinweis, damit sichtbar wird, dass wir in die Diskussion eingegriffen haben.

Im Extremfall, wenn z.B. ein Nutzer ein Pseudonym gewählt hat, das eine Beleidigung schon im Namen enthält, blenden wir Kommentare komplett aus. Es wird aber kein Kommentar endgültig gelöscht, damit wir noch nachvollziehen können, wo warum eingegriffen wurde.

Diese Vorgehensweise haben wir uns im Laufe der Zeit anhand unserer Erfahrungen erarbeitet. Wir haben vielleicht nicht von Anfang an so konsequent reagiert, wie es für die Community sicherlich am nachvollziehbarsten gewesen wäre und leider können wir nicht ausschliessen, dass wir auch Fehler machen. Wenn uns welche unterlaufen sollten, bitten wir dies zu entschuldigen und wie immer gilt auch hier: einfach nachfragen!

Natürlich sind wir interessiert an Ihren Vorschlägen und darum bemüht, unseren Austausch mit der Community laufend zu verbessern.  

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