Einen tiefgreifenden Wandel der Geisteshaltung im öffentlichen Gesundheitswesen Grossbritanniens hat eine Untersuchungskommission angemahnt. Der Ausschuss legte in London seinen Abschlussbericht mit 290 konkreten Empfehlungen vor.
Diese verfolgen den Grundsatz, dass staatliche Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung bei Qualitätsfragen eine „Nulltoleranz“ gelten lassen müssten, wenn Abstriche aus finanziellen Zwängen drohten. Die Kommission war im Jahr 2010 eingerichtet worden, als in einer öffentlichen Klinik im zentralenglischen Stafford unhaltbare Zustände ruchbar wurden.
Der Kommissionsvorsitzende Robert Francis, ein anerkannter Anwalt, beklagte bei der Vorstellung des Berichts, die Patienten in diesem Spital seien „allein gelassen worden von Managern, die die Kostenkontrolle höher bewerteten als das Wohl der Kranken und ihre sichere Betreuung“. Die Pflegequalität sei „völlig unangemessen“ gewesen, mit oft hochbetagten Patienten, die stundenlang in ihren Exkrementen verharren mussten oder ohne Getränke und Nahrung blieben.
Der festgestellte „Mangel an Aufmerksamkeit, Zuwendung, Menschlichkeit und Führung“ in diesem Hospital sei in erster Linie zurückzuführen auf schwere Fehler der Leitung, die nicht bereit gewesen sei, auf Beschwerden der Patienten oder des Personals zu hören, kritisierte Francis. Deshalb gehe es um ein „Scheitern des ganzen Systems“, das nicht in der Lage gewesen sei, die Missstände zu erkennen und abzustellen.
Verwandte müssen sich um Patienten kümmern
In einem Zwischenbericht, den Francis 2010 erstellt hatte, wurde geschildert, dass die Kranken oft in besudelten Laken liegen oder stundenlang auf Nachttöpfen ausharren mussten. Manche wurden monatelang nicht gewaschen.
Das Essen wurde den Bettlägerigen vielmals nicht ausgeteilt, so dass Besucher sich darum kümmern mussten. Verwandte wurden verschiedentlich auch beauftragt, benutztes Verbandszeug wegzuwerfen oder die Toiletten zu putzen.
Der britische Premierminister David Cameron beklagte am Mittwoch, der Skandal treffe ins Herz des Gesundheitswesens. Er sei „tief betrübt“ darüber, dass das System „diesen fürchterlichen Missbrauch so lange ungeprüft und unbeantwortet gelassen“ habe.