Im September berät der Nationalrat über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Bisher hat die Staatspolitische Kommission (SPK) nicht entschieden, welche Lösung sie dem Rat vorlegen will. Kein Thema ist vorerst ein Gegenvorschlag zur Rasa-Initiative.
Diese will den Zuwanderungsartikel aus der Verfassung streichen. Es gibt jedoch auch Vorschläge, den Verfassungsartikel lediglich zu lockern, damit die Personenfreizügigkeit mit der EU gewahrt werden kann. Die Kommission wolle nicht noch weitere Abklärungen in Auftrag geben, die die Umsetzung verzögern würden, sagte SPK-Präsident Heinz Brand (SVP/GR) am Freitag vor den Bundeshausmedien.
Stattdessen konzentriert sich die Kommission auf eine Umsetzung mit Kontingenten oder einem Inländervorrang. Definitive Entscheide seien noch nicht gefallen, stellte Brand klar. Vorerst sei eine erste Diskussion zu den Höchstzahlen abgeschlossen worden. Dazu seien allerdings weitere Abklärungen nötig. Vom Tisch sind die Höchstzahlen noch nicht.
Hoffnungen gedämpft
Der Bundesrat hatte dem Parlament vorgeschlagen, die Masseneinwanderungsinitiative mit einem Kontingentssystem umzusetzen, das bei Überschreitung eines Schwellenwerts in Kraft gesetzt würde. Es handelt sich um den Plan B, falls keine Einigung mit der EU zu Stande kommt. Bei den Parteien fiel das Konzept mehrheitlich durch – nicht zuletzt deshalb, weil es sich nicht mit der Personenfreizügigkeit verträgt.
In letzter Zeit drehte sich die Diskussion daher schwergewichtig um den Inländervorrang. Justizministerin Simonetta Sommaruga dämpfte jedoch in der Kommission die Hoffnung, dass eine solche Lösung mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar sein könnte.
Die Verwaltung habe in einem Bericht verschiedene Möglichkeiten eines Inländervorrangs aufgezeigt, sagte Brand. Einige davon verletzten das Freizügigkeitsabkommen klar, dafür sei die Wirkung gross. Bei anderen Varianten ist laut Brand der Konflikt mit dem Abkommen kleiner, dafür haben die Massnahmen weniger Wirkung auf die Zuwanderung.
Zur ersten Kategorie gehört die Einzelfallprüfung, wie sie heute für Drittstaaten angewendet wird: Arbeitgeber müssten nachweisen, dass in der Schweiz keine geeigneten Arbeitskräfte zu finden sind, wenn sie EU/EFTA-Bürger anstellen wollen. Das dürfte die Zuwanderung bremsen, wäre aber nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar. Eine solche Lösung wäre ausserdem mit sehr hohem administrativem Aufwand verbunden.
Zur Diskussion steht auch ein Meldeverfahren, bei dem die Behörde unter bestimmten Bedingungen Widerspruch gegen geplante Stellenbesetzungen durch EU-Arbeitskräfte einlegen könnte. Eine weitere Spielart des Inländervorrangs sind Listen mit Mangelberufen, in welchen die Anstellung ausländischer Arbeitskräfte zulässig ist. Die mildeste Variante wäre die Pflicht für Arbeitgeber, offene Stellen dem RAV zu melden, wo sie zunächst nur für Inländer ersichtlich wären.
Nicht konform
Ob der Zuwanderungsartikel mit einem wie auch immer gearteten Inländervorrang verfassungskonform umgesetzt werden kann, ist offen. Klar sein dürfte aber, dass jeder Inländervorrang, der EU-Bürger beim Zugang zum Arbeitsmarkt diskriminiert, das Freizügigkeitsabkommen verletzt.
Diese Erkenntnis scheint sich auch in der Kommission durchgesetzt zu haben. «Der Inländervorrang, so wie er angedacht ist, dürfte nicht ohne Verletzung des FZA realisiert werden können», sagte Brand.
Die Kommission diskutierte auch über die von ETH-Professor Michael Ambühl entwickelte Bottom-up-Schutzklausel. Diese setzt auf gezielte Einschränkungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt in besonders betroffenen Branchen oder Regionen. «Das könnte eine Möglichkeit sein», sagte Brand. Allerdings gebe es dazu noch keine konkrete Vorlage, diese Arbeiten würden nun vorangetrieben.
Eine Wunderlösung ist auch das Modell Ambühl nicht. Der Gesetzgeber bewege sich auf einem schmalen Grat, sagte Brand. Er ist jedoch zuversichtlich, dass die Kommission fristgerecht zu einer Einigung kommt – wenn auch kaum zu einer einstimmigen.
Um die Vorberatung vor der Herbstsession abschliessen zu können, wurde eine Zusatzsitzung am 31. August angesetzt. Am 2. September sollen die Beratungen abgeschlossen sein. Die Vorlage, die die Integration von Ausländerinnen und Ausländern stärken soll, hat die Kommission vorerst aus der Diskussion ausgeklammert.