Konservative Regierungschefs nicht geschlossen hinter Juncker

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat kurz vor dem EU-Gipfel am Dienstagabend Jean-Claude Juncker, Kandidat der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), ihre Unterstützung für den Posten des neuen EU-Kommissionspräsidenten ausgesprochen. Doch die EVP steht nicht geschlossen hinter dem Luxemburger.

Er ist ihr Favorit: Bundeskanzlerin Merkel mit Juncker (Bild: sda)

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat kurz vor dem EU-Gipfel am Dienstagabend Jean-Claude Juncker, Kandidat der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), ihre Unterstützung für den Posten des neuen EU-Kommissionspräsidenten ausgesprochen. Doch die EVP steht nicht geschlossen hinter dem Luxemburger.

Der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy machte zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel erneut klar, dass die Staats- und Regierungschefs noch keinen Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten vorschlagen werden.

«Wir müssen das tun, indem wir das Wahlergebnis berücksichtigen und nach Konsultationen mit dem Parlament.» Nun werde man diskutieren, «wie wir in den nächsten Wochen und Tagen mit dieser Verantwortung weiter umgehen», sagte Van Rompuy. Zu Juncker als Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten äusserte er sich nicht.

Merkel ihrerseits bezeichnete Juncker vor dem Gipfel als «unseren Spitzenkandidaten». Sie hoffe, mit den Beratungen voranzukommen. Es werde um die Inhalte und die Arbeit der nächsten fünf Jahre gehen, sowie auch über Personalfragen.

«Wir wissen, dass keine der Parteiengruppen allein eine Mehrheit hat. Daher geht es darum, breite Mehrheiten zu finden. Jetzt werden wir die Weichen für den Prozess stellen», sagte die Kanzlerin.

Cameron

und Orban lehnen Juncker ab

Doch es gibt auch kritische Stimmen. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban etwa, dessen Partei der EVP angehört, sprach sich vor dem Gipfel gegen den 59-jährigen Juncker aus.

EU-Kreisen zufolge wollen auch der britische Premierminister David Cameron und Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeldt den ehemaligen luxemburgische Premier nicht an der Kommissionsspitze sehen. Cameron wollte vor dem Gipfel dazu keine Stellungnahme abgeben. Der französische Staatspräsident Hollande blieb ebenfalls vage mit seinen Aussagen zum künftigen EU-Kommissionspräsidenten.

Schulz gibt Juncker vorläufig den Vortritt

Sowohl Juncker als auch sein sozialdemokratischer Gegenspieler, der bisherige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, waren in den Wahlkampf mit dem Ziel gegangen, EU-Kommissionspräsident zu werden. Nachdem Schulz‘ Partei bei der Europawahl auf Platz zwei gelandet war, lenkte dieser vorerst ein. Den Regeln zufolge sei es der Stärkste, der mit den Verhandlungen beginne, sagte Schulz.

Auf dieses Vorgehen einigten sich auch die Chefs der bisher im EU-Parlament vertretenen Fraktionen. Sie forderten die 28 EU-Staats- und Regierungschefs auf, Juncker ein «klares Mandat» für die Suche nach einer Mehrheit im EU-Parlament zu geben.

Die Vorsitzende der Linken-Fraktion, Gabriele Zimmer, berichtete, zwei politische Gruppen hätten die Erklärung jedoch nicht mitgetragen: die EU-Skeptiker der Europäischen Konservativen und Reformisten sowie die Gruppe Europa der Freiheit und der Demokratie.

Dem EU-Vertrag zufolge müssen nun die Staats- und Regierungschefs einen Kandidaten für den Brüsseler Spitzenposten unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Europawahl auswählen.

Keiner hat absolutes Mehr im EU-Parlament

Nimmt der Luxemburger in den kommenden Wochen diese Hürde, braucht er auch noch eine absolute Mehrheit im EU-Parlament. Doch keine der beiden grössten Fraktionen kommt auf eine absolute Mehrheit von mindestens 376 Stimmen.

Die EVP stellt mit 213 von 751 Sitzen wieder die stärkste Fraktion im EU-Parlament. Die Sozialdemokraten (SPE) wurden mit 190 Mandaten zweitstärkste Kraft.

Doch selbst mit der Unterstützung von Liberalen und Grünen käme Juncker nicht auf mehr als die Hälfte der Stimmen. Wahrscheinlich ist also, dass der Luxemburger auf die Sozialdemokraten zugeht und sich im EU-Parlament eine grosse Koalition bildet. Wenn die SPE Juncker aber ins Amt verhilft, dürfte dies nur im Tausch für ein wichtiges Amt für Schulz geschehen.

Nachfolger werden etwa auch für den EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy und die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton gesucht. Scheitert Juncker jedoch bei der Suche nach einer Mehrheit für seine Wahl zum Kommissionspräsidenten, ist Schulz am Zug.

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