Die treibende Firma hinter dem 300-Millionen-Projekt Galerie Erlenmatt hat ihre Büros in Basel geschlossen. Die Eröffnung des Einkaufszentrums rückt damit weiter in die Ferne.
Die Telefonleitung der Multi Development Switzerland ist tot. Mails an Mitarbeitende, mit denen man noch vor Kurzem in Kontakt stand, kommen mit «Benutzer unbekannt» zurück. Das Klingeln an der Stänzlergasse 4 bleibt unbeantwortet. Die Büros im dritten Stock über dem «Tibits» sind eingerichtet, aber wirken verlassen. «Die Schweizer Filiale existiert nicht mehr. Das Büro ist geschlossen», lautet die Auskunft der Telefonistin in der Zentrale von Multi Development im niederländischen Gouda.
Der auf Einkaufszentren spezialisierte Baukonzern plant in Basel seit 2008 an der Ecke Schwarzwaldallee/Erlenstrasse die Galerie Erlenmatt mit 21 000 Quadratmetern Verkaufsfläche, einem 200-Zimmer-Hotel und 490 Parkplätzen in der Tiefgarage. 300 Millionen Franken soll der Konsumtempel kosten. Partnerin von Multi Development Switzerland ist die Berner Bricks Immobilien AG. Ihnen beiden gehört die Galerie Erlenmatt AG. Letztere ist Besitzerin der 10 800 Quadratmeter Boden für das Einkaufszentrum auf Baufeld A.
Der Partner weiss von nichts
Die Telefonistin in Gouda verweist für weitere Fragen an Multi Development Deutschland. Dort, in Duisburg, ist ihre Kollegin bereits seit ein paar Tagen informiert über die Büroschliessung in Basel. Sie nennt Jochen Dietmeier von der Multi Development Switzerland als Auskunftsperson.
Man schliesse die Büros in Basel nicht, man ziehe um, kontert Dietmeier am Handy im Zug nach Basel die Auskünfte der Telefonistinnen. Man lege die Räume zusammen mit einem Joint-Venture-Partner, um «die Kostenstruktur zu optimieren». Eva Katrin Maier, Pressesprecherin von Multi Development Deutschland, präzisiert: «Es ist richtig, dass wir unsere Büroräume in der Stänzlergasse gekündigt haben und derzeit den Umzug in die Büroräume unseres Projektpartners, der BAM Swiss, organisieren.» BAM Swiss ist ein Anfang 2012 gegründeter Ableger des Baukonzerns Royal BAM Group aus den Niederlanden. Die Firma hat den Zuschlag erhalten für die Ausführung des Einkaufszentrums, sollte je der Startschuss fallen.
Bei der BAM Swiss reagiert man überrascht auf die Frage nach dem Einzugstermin der Multi Development Schweiz: «Zu uns? Wir haben doch selbst kaum genug Platz!» Peter Schwendimann von BAM Swiss weiss zudem: «Das Thema tauchte kurz auf, ist aber seit Ende 2012 vom Tisch.» Schon aus Platzgründen könne Multi Development nicht bei ihnen einziehen. «Vielleicht wollen die mir auf den Schoss sitzen», scherzt er.
Konfrontiert mit der Reaktion von BAM Swiss besteht die Sprecherin von Multi Development Deutschland darauf, dass die Zusammenlegung der Büros «definitiv im Sommer» stattfinden werde. Schwendimann von BAM Swiss bleibt, nach Rücksprache mit seinem CEO, bei seiner Darstellung.
Daniel Fluri ist Verwaltungsratspräsident der Galerie Erlenmatt AG. Er trat in der Vergangenheit mehrfach als Sprecher für das Projekt Einkaufszentrum in Erscheinung. Fluri kontrolliert über die Bricks Immobilien AG mit rund 90’000 Quadratmetern zudem das grösste Kuchenstück der Erlenmatt. Die Frage nach der Bedeutung der Büroschliessung seiner Partnerin Multi Development liegt seit einer Woche auf seinem Tisch in der Fimenzentrale in Muri bei Bern. Dazu geäussert hat er sich bis dato nicht.
Ihre Firma halte weiterhin am Plan fest, im Herbst 2013 mit dem Bau der Erlenmatt-Galerie zu beginnen, sagt Multi-Development-Sprecherin Maier. «Die Eröffnung würde dann im Herbst 2015 stattfinden», schätzt sie. Man sei mit zwei «Ankermietern aus dem Textilbereich in intensivem Kontakt» und warte «auf ein positives Signal».
Noch sind aber Einsprachen gegen das Projekt hängig. Baufachleute meinen, bis 2014 seien diese nicht vom Tisch und ein Baubeginn vorher sehr unwahrscheinlich. Ob bis dahin die «Ankermieter» gefunden sind, steht in den Sternen. Das weiss auch Multi Development. Frankenkurs und wirtschaftliche Schwierigkeiten in der Eurozone liessen Interessenten derzeit zögern, heisst es von dort.
Am Mittwoch tagte unter dem Vorsitz von Kantonsbaumeister Fritz Schumacher die «Gesamtprojektsteuerung Erlenmatt». Grundeigentümer, Bauunternehmen und Kanton koordinieren in dem Gremium ihre Aktivitäten. Dort werde «das weitere Vorgehen» besprochen, sagt André Frauchiger, Sprecher des Tiefbauamtes. Über die Sitzungen wird nicht kommuniziert.
Plan B für Baufeld A?
Schweigende Bauherren, uninformierte Partner, Nebelgranaten aus der Medienabteilung: Bereitet man hinter den Kulissen einen Plan B für Baufeld A vor? An jener Ecke von Basel ein «Stücki 2» wäre für die Geldgeber wohl nur eines: ökonomischer Selbstmord.
Die unendliche Geschichte der Erlenmatt-Galerie
Das Projekt Einkaufszentrum Erlenmatt war bereits 2005 in den Unterlagen zur Abstimmung über die Umzonung des DB-Areals angekündigt worden. 2008 richtete die im Jahr zuvor nach Österreich an den Immobilienkonzern CA Immo verkaufte Grundeigentümerin Vivico Real Estate, zusammen mit ihrer damaligen Partnerin Multi Development, den Architekturwettbewerb aus. Bei der Bekanntgabe des Siegerprojektes 2009 hiess es, die Eröffnung der Erlenmatt-Galerie sei für Herbst 2011 geplant.
Tatsächlich aber passierte weiterhin nichts auf dem Baufeld A. Dafür stieg am 1. April 2011 die CA Immo aus dem Projekt aus. Sie verkaufte ihren 50-Prozent-Anteil an der Einkaufszentrum Erlenmatt AG für 50 000 Franken und schrieb ihre bis dahin investierten 2 Millionen ab. Kurz darauf übernahm Daniel Fluri von Bricks Immobilien das Verwaltungsratspräsidium der AG, die gleichzeitig in Galerie Erlenmatt AG umbenannt wurde. Mitte 2011 erst wurde das Baugesuch für das Einkaufszentrum tatsächlich eingereicht. Auf der Website des Planungsamtes Basel-Stadt steht noch heute, die Bauarbeiten dafür «erfolgen voraussichtlich ab dem Sommer 2012». Nichts dergleichen ist bisher geschehen.
Nicht unfroh über die absehbare weitere Verzögerung der Bauarbeiten dürften die Kinder und Lehrpersonen des Bläsischulhauses sein. Sie beziehen nach den Sommerferien 2013 ihr Schulhausprovisorium auf dem Erlenmatt-Areal. Es liegt direkt neben dem Baufeld, auf das der Konsumtempel zu stehen kommen soll. Dass dort nun aller Voraussicht nach keine Bagger auffahren während ihrer Schulzeit «im Exil», und damit immerhin diese Lärmquelle wegfällt, kommt ihnen sicher gelegen. Die benachbarte Autobahn ist laut genug.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.04.13