Kontrollen gegen Lohndumping gestrichen

Nach dem Grosseinsatz an der Baselworld fehlt es an Geld für Lohndumpingkontrollen von Schreinern und Messestandbauern.

Lohndumpingkontrollen Baselworld (Bild: Nils Fisch)

Nach dem Grosseinsatz an der Baselworld fehlt es an Geld für Lohndumpingkontrollen von Schreinern und Messestandbauern.

Die Auswertung der Lohndumpingkontrollen an der Uhren- und Schmuckmesse Baselworld ist in vollem Gang. Noch ist keiner der vielen mutmasslich scheinselbstständigen Standbauer überführt. Trotzdem haben die Kontrollen bereits Folgen: Schweizweit soll jetzt jede zehnte Lohndumpingkontrolle von ausländischen Schreinern und Messestandbauern gestrichen werden. Grund: Nach den aufwändigen Kontrollen an der Baselworld fehlt es an Geld.

Die Anweisung, Kontrollen zu streichen, schickte Urs Sager, Geschäftsführer der Zentralen Paritätischen Berufskommission Schreinergewerbe, Anfang Juli an die regionalen Sektionen. Die Baselworld habe einen «ausserplanmässig grossen Kontroll­aufwand» und hohe Kosten verursacht. «Wir bitten Sie deshalb, wenn immer möglich, auf zehn Prozent Ihres Kontrollkontingents im Entsendebereich zu verzichten.» Die Kontrollen an der Baselworld kosteten mehrere Hunderttausend Franken.

Zum Vergleich: Insgesamt gut 1.5 Millionen Franken zahlt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) dieses Jahr für 3000 Kontrollen von ausländischen Schreinern und Messestandbauern. Kontrolliert werden sollen 1000 Selbstständige und 2000 Betriebe mit Angestellten. Spielraum nach unten gibt es dabei eigentlich nicht. Denn gemäss Weisung des Seco müssten 50 Prozent der ausländischen ­Betriebe und Selbstständigen kontrolliert werden. Jede zehnte Kontrolle zu streichen wäre nur dann möglich, wenn tatsächlich weniger Betriebe in die Schweiz kämen als letztes Jahr.

Mehraufwand war absehbar

Beim Schreinergewerbe ist aber genau das Gegenteil der Fall: Weil der Gesamtarbeitsvertrag seit letztem Jahr neu auch für Messestandbauer gilt, fallen dieses Jahr allein schon mit der Baselworld Tausende von ausländischen Arbeitern zusätzlich unter die Lohndumpingkontrollen. Das Amt für Wirtschaft und Arbeit hatte im Vorfeld der Baselworld von 20 000 Arbeitern gesprochen. Auch wenn die Behörden diese Zahl später stark nach unten auf gegen 4000 korrigierten, führten die Kontrolleure allein an der Baselworld gegen 450 Lohndumpingkontrollen durch. Da reichen die vom Seco diese Jahr zusätzlich bewilligten 400 Kontrollen nirgendwo hin.

Das realisierte auch die Messe. Sie erklärte sich deshalb im Vorfeld der Aufbauarbeiten bereit, die Kontrollkosten vorzuschiessen. Im Gegenzug mussten die Gewerkschaften ein Stillhalteabkommen unterzeichnen und sich verpflichten, keine Lohndumpingfälle öffentlich zu machen. Dass die private Messe vorpreschte und die staatliche Kontrollaufgabe finanzierte, damit die Kontrollen überhaupt durchgeführt werden konnten, passte dem Staatssekretariat für Wirtschaft allerdings nicht. Doch das Seco übernimmt jetzt nicht einfach die zusätzlichen Kon­trollkosten, wie die Messe noch Mitte Juni vorschnell gemeldet hatte.

Die zusätzlichen Kontrollen reichen nirgendwo hin.

Auf Anfrage der TagesWoche schreibt das Seco lediglich, man habe «die Bereitschaft gezeigt, die zusätzlichen Kontrollen im Zusammenhang mit der Messe Basel zu einem wesentlichen Teil mitzufinanzieren.» Im Klartext: Das Seco wird nicht alle Zusatzkosten übernehmen, sondern nur die von der ZPK Schreiner «ausgewiesenen, nicht gedeckten Kosten». Das tönt so, als ob die ZPK Schreiner im schlimmsten Fall auf einem Teil der Kosten sitzen bliebe.

Ende Juni hatten die Sozialpartner und Vertreterinnen des Amtes für Wirtschaft und Arbeit bereits mit dem Seco verhandelt, ohne sich einig zu werden. Danach verschickte der Geschäftsführer der ZPK Schreiner, Urs Sager, das Mail, welches der TagesWoche vorliegt, in dem er die Unterverbände anwies, zehn Prozent der geplanten Kontrollen zu streichen. Sager war jetzt ferienhalber für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Zum Ausmisten braucht es eine genügend grosse Mistgabel

Für Hansueli Scheidegger, Co-Leiter Unia Nordwestschweiz, ist das Vorgehen unverständlich: «Bei der Baselworld akzeptierten wir ausnahmsweise, dass wegen des Grossanlasses viel weniger als die vorgeschriebenen 50 Prozent der Entsandten kontrolliert wurden. Umso weniger gibt es jetzt einen Grund, ­wegen der Baselworld Kontrollen zu streichen.» Das Seco müsse vielmehr genügend Geld für Kontrollen der Schreiner und Messestandbauer zur Verfügung stellen, verlangt Monika Hächler, Mediensprecherin der Unia: «Ein Bauer, der seinen Stall ausmisten muss, braucht schliesslich auch eine genügend grosse Mistgabel.»

Im Vorfeld der Aufbauarbeiten der Baselworld hatten verschiedene Zeitungen geschrieben, diese Kontrollen würden zum Härtetest im Kampf gegen Lohndumping. Jetzt müsste sich zeigen, ob die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit in der Realität funktionieren. Die Ergebnisse der Kontrollen werden erst im Herbst veröffentlicht. Doch schon jetzt ist klar: Den ersten Teil des ­Härtetests im Kampf gegen Lohn­dumping haben die Behörden wohl kaum bestanden.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 26.07.13

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