Johann Olav Koss ist der Star der Olympischen Winterspiele 1994 in Lillehammer. Nachhaltig verändert sich sein Leben jedoch im Jahr zuvor in Eritrea.
Heute ist er ein international anerkannter Social Entrepreneur, der für seine Verdienste im Bereich Sport für Entwicklung und Frieden mehrfach ausgezeichnet wurde. Die von ihm gegründete Organisation «Right To Play» erreicht mit ihren Entwicklungsprogrammen wöchentlich eine Million Kinder.
Für viele sind die Winterspiele 1994 in Lillehammer bis heute der Inbegriff für zauberhafte Olympia-Wochen. Die Bilder mit verschneiten norwegischen Wäldern im Sonnenschein, Zuschauern, die mit Begeisterungsfähigkeit und Fairness beeindruckten, und friedvoller Ambiance an den Wettkampfstätten in und um Lillehammer gingen um die Welt und brannten sich nachhaltig ins Gedächtnis der Athleten und Sportfans ein.
Erfolgreichster Athlet für die Gastgebernation Norwegen damals im Februar vor 22 Jahren war nicht, wie man vermuten könnte, ein Langläufer wie beispielsweise Björn Dählie, sondern ein Eisschnellläufer. Johann Olav Koss durfte sich gleich dreimal Gold umhängen lassen – jeweils nach einem Weltrekordlauf. Vom Magazin «Sports Illustrated» wurde er deshalb 1994 zum Sportler des Jahres gekürt, einer Auszeichnung, der viele weitere folgten.
Lillehammer war für Koss der Höhepunkt der Karriere als Sportler. Die Winterspiele in seinem Heimatland bildeten jedoch auch den Ausgangspunkt für seine heutige Tätigkeit als Präsident der Entwicklungshilfeorganisation «Right To Play». Diese hat ihren Ursprung im 1992 durch das Organisationskomitee in Lillehammer ins Leben gerufenen Programm «Olympic Aid».
Schlüsselerlebnis in Eritrea
Im Jahr vor den wichtigsten Wettkämpfen seiner Karriere reiste Koss als Botschafter für «Olympic Aid» nach Eritrea. Dort, in Ostafrika, erlebte der ausgebildete Arzt, der aber später nie praktizierte, «den wichtigsten Moment als Sportler». «Als ich nach Eritrea kam, ging es nur um mich. Ich machte mir Gedanken über Bauchschmerzen und fragte mich, ob ich alles essen kann. Als ich Eritrea verliess, sagte ich mir: ‚Ich muss etwas aus meinem Sportlerleben machen‘.»
Koss war von der Armut, dem Elend und der Not der Kinder tief bewegt und betroffen. Ihm wurde bewusst, dass Sport diesen Kindern sehr viel geben könnte, denn Sport vermittelt wichtige Fähigkeiten wie Teamplay, Akzeptanz und Selbstbewusstsein. Fähigkeiten, die in einem komplexen Umfeld wichtig sind. Der damals 25-Jährige fühlte, dass er als Eisschnellläufer etwas Bedeutungsvolleres für andere machen konnte, als einfach Athlet zu sein. «Jetzt hatte ich ein Ziel, wofür ich Sport betrieb. Dies machte aus mir einen besseren Athleten.»
Nach dem zweiten Olympiasieg in Lillehammer spendete Koss seine Erfolgsprämie und rief die Norweger dazu auf, ihm dies mit 10 Kronen pro norwegischer Goldmedaille gleichzutun. Das Ganze nahm in der Folge eine nicht für möglich gehaltene Dynamik an; innerhalb von zehn Tagen kamen 18 Millionen Dollar für «Olympic Aid» zusammen.
Die Kraft des Sports
Die Organisation, die seit dem Jahr 2000 ihren heutigen Namen «Right To Play» trägt, baute unter der Führung von Koss ihre Aktivitäten kontinuierlich aus und betreibt heute Fundraising-Büros in der Schweiz und sechs weiteren Ländern. Weltweit erreicht «Right To Play» mit seinen wöchentlichen Aktivitäten über eine Million Kinder in 18 Nationen. Mehr als 300 aktive und ehemalige Athleten agieren als Botschafter.
Mit der Kraft von Sport und Spiel werden Kindern in benachteiligten Regionen wichtige Fähigkeiten für eine bessere Zukunft vermittelt und dergestalt ein Beitrag zu deren Entwicklung, Bildung, Gesundheit und zu Frieden geleistet. «Sport ist eine universelle Sprache und motiviert. Es ist schwierig, ein Kind zu finden, das nicht gerne spielt», sagt Koss. «Man kann spielerisch fürs Leben lernen.»
Die von der Organisation entwickelten Spiele basieren auf klassischen Kinderspielen. Vom Prinzip her sind die Spiele immer die gleichen, die Lerninhalte ändern sich aber. Einmal lehrt ein Fangspiel zum Beispiel Akzeptanz, in einem anderen Land klärt es über Hepatitis oder Malaria auf.
«Right To Play Switzerland» mit Sitz in Zürich unterstützte im letzten Jahr Projekte in 13 Ländern in Afrika, Asien und im Nahen Osten. Rund 4,2 Millionen Franken an Spenden wurden 2015 in der Schweiz gesammelt, vorwiegend von Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen und unter anderem dank spezifischen Aktivitäten mit bekannten Sportgrössen wie Bernhard Russi, Tom Lüthi oder Steve Guerdat.
Der Handlungsbedarf ist weiterhin gross. «Gerade in Zeiten, in denen so viele Kinder im Krieg und als Flüchtlinge leben, ist unsere Arbeit enorm wichtig», sagt Koss. «In unseren Sport- und Spielprogrammen erleben Kinder ein Gefühl von Normalität und erhalten eine Bildung, die ihnen eine bessere Zukunft ermöglicht.»