Brüssel zeigt sich «schwer besorgt» über die jüngsten Entwicklungen in der Türkei. Die Lage habe sich seit dem Putschversuch im Juli verschlechtert, schreibt die EU-Kommission in ihrem neuen Bericht zur EU-Beitrittsreife der Türkei.
«Die Türkei muss in ihrem eigenen Interesse dringend aufhören, sich weiter von der EU zu entfernen», sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn am Mittwoch bei der Präsentation des jährlichen Fortschrittsberichts. So stünden etwa mehrere türkischer Gesetze nicht im Einklang mit europäischen Standards, heisst es in den Ausführungen der EU.
Besonders besorgt äusserte sich die EU über die Menschenrechtslage und die Verhaftung kurdischer Politiker in der vergangenen Woche. In diesem Zusammenhang kritisiert Brüssel die selektive und willkürliche Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes.
Die nach dem Putschversuch in Juli ergriffenen und mit dem Anti-Terror-Gesetz begründeten Massnahmen hätten zahlreiche Probleme vertieft. Dazu zähle etwa der Respekt vor Grundrechten, insbesondere der Meinungsäusserungsfreiheit und das Recht auf faire Verfahren und Rechtsstaatlichkeit.
Beitrittsgespräche fortsetzen
Trotz allem plädiert der EU-Erweiterungskommissar für die Fortsetzung der EU-Beitrittsgespräche mit Ankara, räumte aber auch Zweifel ein. Verhandlungen in Justizbereich wären eine Art Lackmustest für die Türkei. «Ich muss zugeben, dass ich nicht mehr ganz sicher bin, ob das möglich ist», sagte Hahn weiter.
Er verlange nun aber eine klarere Sprache der EU gegenüber der Türkei. Aber auch Ankara sei aufgefordert, sich über das Verhältnis zur EU zu äussern. «Es ist Zeit, dass Ankara uns sagt, was wirklich gewünscht wird.» Dies sei «ein Glaubwürdigkeitstest» für die Türkei und die EU.
Eine erste Debatte dazu erwartet Hahn am Montag beim Treffen der EU-Aussenminister. Es liege nun an den EU-Staaten, die Schlussfolgerungen zu ziehen, sagte Hahn.
Harsche Reaktion aus der Türkei
Postwendend kritisierte die Türkei den jüngsten EU-Bericht zur mangelnden Beitrittsreife des Landes. Der Bericht sei «weit davon entfernt, konstruktiv zu sein», sagte der Minister für EU-Angelegenheiten, Ömer Celik. Die Art, wie der Bericht verfasst sei, diene in keiner Weise den türkisch-europäischen Interessen.
Ein Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan drohte damit, dass die EU die Konsequenzen tragen müsse, wenn sie die Beitrittsverhandlungen abbreche. Er führte seine Äusserungen allerdings nicht näher aus.
Bereits vor der Präsentation des Berichts forderte Erdogan in einer Rede in Istanbul die EU dazu auf, schnell eine endgültige Entscheidung über das Beitrittsgesuch seines Landes zu treffen. «Überdenkt es, aber verschleppt diese Überprüfung nicht. Trefft eure endgültige Entscheidung.»