Die Schönheit von Verdis Musik hat am Freitagabend die düsteren Kanäle Venedigs vergessen lassen. Der Oper «I due Foscari» auf der spektakulären Bühne im St. Galler Klosterhof fehlte es zwar an Farbe. Gefallen hat die Premiere trotzdem und regenfrei blieb sie auch.
Zwar war der Himmel am Freitagabend über St. Gallen so düster wie das Bühnenbild. Doch Petrus verschonte auch die 10. St. Galler Festspielpremiere. Wie Festspieldirektor Werner Signer und seine Crew gehofft hatten, schickte der Wettergott nicht noch mehr Wasser ins 80’000 Liter Wasser fassende Becken, das in Verdis Oper die Kanäle Venedigs darstellt.
Vom Regen nass geworden wären ohnehin «nur» die Gäste. Denn die Darsteller in «I due Foscari», einem Frühwerk von Giueseppe Verdi, das 1844 in Rom uraufgeführt wurde, mussten ohnehin nah ans oder sogar ins Wasser. Obwohl das «grösste künstliche Wasserbecken der Freiluft-Opernszene» dank Chemie Badequalität hat, glaubten die Zuschauer, daraus den Modergeruch zu riechen.
Staatsräson ist stärker als Vaterliebe
Die dunklen Kanäle und die Kunstnebelschwaden stehen für die Geheimnisse und die Verschwiegenheit der Gesellschaft in der Lagunenstadt des 15. Jahrhunderts. In den Kloaken spiegelt sich der Prunk der Mächtigen, zum Beispiel der Dogenpalast, der einzige Farbtupfer auf der fast zu gross geratenen Festspielbühne.
Im Prunksaal des Palastes bestimmt der Zehnerrat das Schicksal des jungen Jacopo Foscari (Leonardo Capalbo) und verbannt ihn zum zweiten Mal aus seiner Heimatstadt, die sein Vater Francesco Foscari (Paolo Gavanelli) seit 34 Jahren regiert.
Der Doge steht in einem Konflikt zwischen Staatsräson und Vaterliebe und opfert schliesslich seinen letzten überlebenden Sohn. Obwohl ihn Gewissensbisse quälen hört der alte Foscari nicht auf seine Schwiegertochter Lucrezia Contarini (Yolanda Auyanet), die ihm Verrat vorwirft und vergeblich an seine Vaterliebe appelliert.
Verloren auf der Bühne
In der düsteren Geschichte gibt es wenig Hoffnung. Auch die einzige Liebesszene auf zwei Gondeln, die wie echt durch den St. Galler «Canal Grande» gleiten indem zu sie auf Schienen gezogen werden, wirkt verloren auf der zu gross geratene Bühne. Die Solisten und der Chor, der das gemeine Volk darstellt, füllen den Raum nicht und heben sich optisch kaum vom vorherrschendem Grau der Kulisse ab.
Im Gegensatz zu früheren Opernaufführungen integriert die Inszenierung von Carlos Wagner auch die beiden Türme der Klosterkirche nur minimal in die Geschichte. Dafür konnte der Operndirektor die Leitung des Bistums offenbar überzeugen, sodass die Kirchenglocke läutet, als dem alten Foscari im dritten Akt die letzte Stunde schlägt.
Beste Tonqualität
Wenn «I due Foscari» schon kein Augenschmaus ist, bietet die Aufführung dem Ohr doch alles, was ein Opernfan erwartet. Obwohl das Sinfonieorchester unter der Leitung von Attilio Tomasello dieses Jahr in einem Saal des Klosterhofs untergebracht ist, glaubt man die Musik direkt von der Bühne zu hören. Die Übertragung, die aus bühnentechnischen Gründen nötig war, ist perfekt gelungen.
Auch die Solisten, die zum grössten Teil zum Ensemble des Theaters St. Gallen gehören, und die Sänger des Chors des Theaters St. Gallen, des Opernchors St. Gallen, des Theaterchors Winterthur und des Prager Philharmonischen Chors überzeugen.
Gefragte Openair-Oper
Deshalb dürften auch die 10. St. Galler Festspiele mit der Verdi-Oper, die nach der ausverkauften Premiere noch sechs Mal aufgeführt wird, zu einem Erfolg werden. Wie Peter Heilker, Operndirektor von Konzert und Theater St. Gallen und verantwortlich für die Open-Air-Produktion, vor der Premiere sagte, ist die Festspielleitung mit den Verkaufszahlen sehr zufrieden.
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