Kultwerk #107: Bambi

Die Geschichte des berühmtesten Hirsches der Welt ist gleichzeitig die Geschichte des wohl berühmtesten Schusses der Filmgeschichte.

Bambi und Klopfer, zwei Filmstars. (Bild: © Disney/Cinetext)

Die Geschichte des berühmtesten Hirsches der Welt ist gleichzeitig die Geschichte des wohl berühmtesten Schusses der Filmgeschichte.

Es beginnt derart süss. Ein kleiner Hirsch wird geboren, andere junge Waldtiere tanzen um den «kleinen Prinzen» herum, darunter ein vorlauter Hase namens Klopfer. Vierzig Minuten sorgenfreie Kindheit folgen, bis ein Schuss fällt. Ein Schuss, der Kindheitstraumata augelöst hat. Der Mütter mit weinenden Kindern dazu veranlasste, Kinosäle zu verlassen. DER Schuss der Filmgeschichte: Der Schuss, der Bambis Mutter tötet.

Den Film hat fast jeder einmal gesehen. Und nicht wenige schwören darauf, dass man sieht, wie Bambis Mutter stirbt. Was allerdings nicht stimmt. Man sieht keinen Jäger, keine Flinte, kein Blut, keine Leiche. Man sieht nur Bambi, das durch den Schnee in den Wald flieht. Und dort mutterseelenalleine ankommt.

Geplant war es ursprünglich anders: Man sollte den Jäger wie auch die sterbende Mutter sehen. Doch Walt Disney entschied sich dagegen. Er wollte dem Publikum nicht «unnötig das Herz brechen», sagte er einst. Einige (Kinder-)Herzen brach er trotzdem – dem einsamen Bambi dabei zuzusehen, wie es im dichten Schneegestöber hilflos die Mutter sucht, mehr brauchte es gar nicht, um die Tränen kullern zu lassen.

Düsterster Disney-Film

Der Film sei zu brutal für Kinder, hiess es dann auch prompt. Was aber nicht nur an dieser kurzen Szene lag, sondern auch an anderen düsteren Geschehnissen im Film. Denn schliesslich kommen die Jäger zurück, der halbe Wald brennt ab, und Bambi wird zu guter Letzt auch noch angeschossen. Man erinnert sich aber dennoch lieber an die zahlreichen lieblichen Szenen der ersten zwei Filmdrittel. Als die Welt noch in Ordnung war.

«Bambi» gilt trotzdem als ernstester Walt-Disney-Film. Obwohl er die Buchvorlage von Felix Salten abschwächt, die noch brutaler daherkommt. Disney hatte kein Problem damit, dem Publikum auch solcherlei darzubieten, im Gegenteil, er sah es als seine Pflicht an, wie er in einem Essay klarmachte: «Das Leben besteht aus Licht- und Schattenseiten. Und wir wären unehrlich, unaufrichtig und verniedlichend, wenn wir so tun, als gäbe es diese Schattenseiten nicht. (…) wir tun unseren Kindern keinen Gefallen, wenn wir sie vor der Realität abschirmen.»

In der Tat hat die Kontroverse dem Film nicht geschadet: «Bambi» ist und bleibt wohl auch einer der grössten Hits der Filmgeschichte.

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