Das Basler Kino Eldorado wird geschlossen. Zum Abschluss gibts jenen Film, der seit Jahrzehnten beste Werbung für das Kino als Ort der Rituale und Gruppenerlebnisse macht: Rocky Horror Picture Show. Morgen, Mittwochabend. Dann ist für immer Schluss.
Nach mehr als 60 Jahren verschwindet das Basler Kino Eldorado von der Bildfläche: Pathé hätte das Duplex-Kino in der Steinenvorstadt nach eigenen Angaben zwar gerne umgebaut. Doch fand man keine Einigung mit den Liegenschaftsbesitzern, weshalb Abschied genommen wird. Nach 100 Jahren (als das Kino noch Odeon hiess) zieht der Film aus der Steinen-Nummer 67 aus. Mit einer Vorführung, die an die goldenen Zeiten des Eldorados und des Kinos an sich erinnert: Rocky Horror Picture Show. Mehr Kult geht eigentlich gar nicht.
Zu verdanken haben wir alles dem britischen Komponisten und Schauspieler Richard O’Brien respektive dessen früherem Arbeitgeber, der ihn ersetzt hatte. «Ich hatte bei Jesus Christ Superstar mitgespielt, wurde gefeuert, kam nach Hause und begann, ein eigenes Musical zu schreiben», rekapituliert er lakonisch die Entstehung.
Als die Rocky Horror Show in London Premiere feierte, war nur eine kurze Spielzeit von drei Wochen in einem kleinen Theater vorgesehen. Die Geschichte um den Transvestiten Frank N. Furter, angereichert mit Glamrock-Nummern, traf den Nerv der Zeit: David Bowie hatte mit Ziggy Stardust ebenfalls gerade Science-Fiction und Rock ’n’ Roll zusammengebracht, das Spiel mit Androgynität eroberte den Pop. So kam auch die Rocky Horror Show bei Kritikern gut an, denn so ein Musical hatte die Welt noch nicht gesehen, so vulgär und rockig, bizarr und witzig wie es war. Eine Hommage an den guten alten Horror und Science-Fiction – und irgendwie auch Satire dergleichen.
1975 wurde das Musical verfilmt, mit der jungen Susan Sarandon in einer weiblichen Hauptrolle und Sänger Meat Loaf in einem Kurzauftritt (worauf er mit seiner Gesangskarriere durchstartete). Allerdings schienen die Produzenten nicht wirklich vom Erfolg überzeugt, fanden doch nur sieben Filmrollen den Weg in die Kinos. Doch ein halbes Jahr nach dem Start passierte etwas Sonderbares: Der Film war im April 1976 im New Yorker Künstlerviertel Greenwich Village angelaufen. Und immer wieder wurde er von denselben Leuten besucht. Manche sahen ihn zweimal. Einige zehnmal. Abend für Abend strömten Leute ins Kino, kamen wieder, sprachen bald Textpassagen mit, warfen bei der Hochzeitsszene Reis oder hielten sich eine Zeitung über dem Kopf, als es im Film zu regnen begann.
Der Kult war geboren – und wird bis heute gepflegt. Ohne grosses Marketingbudget wurde der Film zum Event, zum Spektakel, bei dem die Zuschauer interagieren. So machte «Rocky Horror Picture Show» en passant auch beste Werbung für das Kino als Ort der Rituale und Gruppenerlebnisse.
Aus retrospektiver Sicht hat die trashige Machart noch immer Charme, das Phänomen Jahrzehnte überdauert. So haben manche Fans visuelle Fehler zusammengetragen und in einem eigenen Youtube-Clip gesammelt, andere horten zu Hause exakte Replika der Kostüme und Outfits, um sie an Filmvorführungen aus dem Schrank zu nehmen.
Eine Gelegenheit, das Kultwerk zu sehen, bietet sich am 14. Mai 2014 (20.30 Uhr): Dann ist im Eldorado, wie wir es in den letzten Jahrzehnten kannten, letztmals eine Zeitreise möglich. Der Eintritt kostet übrigens 19 Franken, «Toilettenpapier und Prosecco», so die Betreiber, «sind inklusive»! «Let’s do the time warp again»!
Es war die Rolle seines Lebens, in Strapsen, Strümpfen und Stilettos: Tim Curry verkörperte den androgynen Frank n’Furter, einen lüsternen Dr. Frankenstein vom «Planet Transsexual».
Curry hatte zuvor im Musical Hair gespielt, wo er Richard O’Brien kennengelernt hatte, der die Rocky Horror Show schrieb und darin auch den bizarren Assistenten Riff Raff spielte. Tim Curry erlebte die Transformation vom Musical zum Film und ging in der Rolle auf, wohlwissend, dass er sich damit einen Stempel aufdrückte, den er nicht so leicht wieder losbekam. Sechs Jahre lang spielte er den fiesen und zugleich verführerischen Frank n’Furter auf der Bühne, seine Karriere führte ihn danach immer wieder zurück ins Theater. Was den Film angeht, so blieben die weltweiten Erfolge bescheiden. In Stephen Kings «Es» durfte er sich 1990 wieder Schminke auftragen, Rollen brachten ihn auch für Remakes von Addams Family oder den Drei Musketieren vor die Kamera. Curry ist heute 68-jährig und lebt in Los Angeles.