Kultwerk #53: On the Road

Dieses Buch hält alles bereit: Jack Kerouacs Bibel der Beat-Generation.

Easy living auf weiten Strassen, in staubigen Autos: «On the Road», die Kinoversion. (Bild: ©filmcoopi)

Dieses Buch hält alles bereit: Jack Kerouacs Bibel der Beat-Generation.

The beat goes on, nun auch auf der Leinwand. Seit Kurzem läuft «On the Road» in den Kinos, die erste Verfilmung des Romans von Jack Kerouac, um den wahrhaftig ein Kult entstand. Ohne «On the Road» (in Deutsch «Unterwegs»), das darf man ruhig ungeprüft behaupten, ­wären nie derart viele Teenager per Interrail mit Schlafsack und zu wenig Geld quer durch den Kontinent gefahren oder, noch früher, Aussteiger mit VW-Bussen über den Hindukusch nach Indien. «On the Road», erschienen 1957, war der Hobo-­Roman der Nachkriegszeit: es ging um schnellen Sex und massiven Drogen- und Alkoholmissbrauch in den späten Vierziger-jahren und um irre Jungsfreundschaften.

Das schüchterne Mittelklasse-Kid Sal Paradise trifft auf den Freak Dean Moriarty, der es mit den Frauen wie den Drogen gut kann, zusammen reisen sie durch die USA – per Anhalter, mit geklauten Autos, auf Güterzügen und LKW-Ladeflächen. Stets im Blick: das gros­se Versprechen, unterwegs jede verkrustete moralische Norm aufzuweichen. «Somewhere along the line I knew there would be girls, visions, every­thing», prophezeite Sal. So sollte es kommen, und so war es tatsächlich passiert.

«On the Road» ist nicht nur der ­Roman, der der Beat-Generation ihre Schrift geben sollte und die Hippies erst ermöglichte, es ist auch ein Tatsachenbericht. Paradise und Moriarty waren Kerouac und sein Beat-Kumpel aus New York, Neal Cassady. Auch Allen Ginsberg und William S. Burroughs, die anderen gewichtigen Vertreter der Beatniks, tauchen unter anderen Namen auf. Wirklich erfahren hat man das indes erst 2010, als der Roman so erschien, wie Kerouac ihn wollte. «The original ­scroll – rougher, wilder, and racier than the 1957 edition», so der Untertitel.

Rauer und wilder ist der Text tatsächlich, zumindest aus einer Optik der ­Fünfzigerjahre, der viele sexuelle Kraftausdrücke zum Opfer fielen. Allerdings auch ein Werk, das am eigenen Mythos rüttelt und offenbart, dass «On the Road» nicht vom Heiligen Geist in Kerouacs Feder diktiert worden war, wie er seinem Verleger verkündet haben soll, sondern das Ergebnis von über Jahre entstandenen Notizen, fragmentarischen Fetzen und ineinander verleimten Romankonzepten ist. Das macht den Text ungleich plausibler als die Erstfassung und verstärkt wider Erwarten seinen Mythos – etwas, woran die Leinwandversion so unschön scheitert.

Jack Kerouac
Geboren 1920, gestorben 1969, dazwischen ein Leben im Zeichen eines Buches. An der Universität lernte Kerouac Ginsberg und Burroughs kennen. «On the Road», die Chronik ihrer Reisen durch die USA, nach Mexiko, Europa und Nordafrika, war ein Erfolg, allerdings ­keiner, der ihm ein sorgloses Leben ­bescherte. Von Geldnot geplagt und von der Kommerzialisierung der Beat-Generation frustriert, starb er 49-jährig an den Folgen des massiven Alkoholkonsums.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 09.11.12

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