Kultwerk #57: Nofretete

Vor 100 Jahren entdeckte ein Deutscher die Büste der Nofretete – zum Leidwesen des heutigen Ägyptens.

Nofretete – im Gegensatz zu Kleopatra wirklich schön. (Bild: akg-images)

Vor 100 Jahren entdeckte ein Deutscher die Büste der Nofretete – zum Leidwesen des heutigen Ägyptens.

Auch dank Asterix glauben wir zu wissen, dass Kleopatra die schönste Nase des alten Ägypten besessen haben soll. Stimmt allerdings nicht. Münzen belegen, dass die Nase der Königin zu lang und zu krumm war. Handfeste, Illusionen zerstörende Beweise. Eine aber kann sich freuen: Von Nofretete kennen wir vor allem eine Büste – und dieser zufolge war die Gattin Echnatons, deren Name übersetzt «Die Schöne ist gekommen» bedeutet, tatsächlich eine Schönheit. Ihr ebenmässiges Gesicht alleine ist aber nicht der Grund, warum nicht nur der frühere ägyptische Chefarchäologe und stellvertretende Kulturminister Zahi Hawass jahrelang dafür kämpfte, dass die Büste wieder zurück an den Nil gelangt.

1912 wurde Nofretete vom Team des deutschen Archäologen Ludwig Borchardt in den Atelier-Ruinen des Bildhauers Thutmosis in Amarna am Ostufer des Nil in Mittelägypten ausgegraben. 3000 Jahre hatte sie unter Wüstensand gelegen. Borchardts Notizen zur Büste waren kurz gehalten: «(…) Dann wurde die bunte Büste erst herausgehoben und wir hatten das lebensvollste ägyptische Kunstwerk in Händen. Es war fast vollständig, nur die Ohren waren bestossen und im linken Auge fehlte die Einlage.»

Zum Zeitpunkt von Borchardts Arbeiten in Amarna stand Ägypten unter britischer Besatzung und der damalige ägyptische Antikendienst unter Leitung des Franzosen Gaston Maspero. Sein Bevollmächtigter Gustave Lefebvre nahm mit Borchardt Anfang 1913 die damals übliche Teilung der Funde vor. Die Büste der Nofretete gelangte im Januar bereits nach Berlin, wo sie bis heute der Superstar unter den Museumsexponaten ist – seit der Renovierung der Museumsinsel in der Ägypten­abteilung des Neuen Museums.

Immer wieder gab es in den letzten 100 Jahren Forderungen vonseiten Ägyptens, die Büste zurückzugeben. Die erste formulierte Masperos Nachfolger, Pierre Lacau. Dieser führte immer wieder das «moralische» Recht am Kunstwerk ins Feld. Hawass erwies sich als sein gelehrigster Jünger. Doch wie schon Lacau blieb auch er erfolglos. Rechtlich gesehen hat Ägypten tatsächlich keinen Anspruch auf die Büste. Selbst Lacau musste das 1925 vor den Mitgliedern des Komitees für Ägyptologie in Kairo eingestehen: «Wir geben zu, dass alles regelrecht verlaufen ist. Wenn es einen Fehler gegeben hat, ist er der unsrige. Unsere Behörde ist vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen wehrlos.» Nofretete wird deshalb bis auf Weiteres ihren Reiz in Berlin verstrahlen.

Nofretete (in anderen Sprachen auch Nefertiti genannt) war die Hauptgemahlin des Pharaos Echnaton und Stiefmutter Tutanchamuns. Sie lebte im 14. Jahrhundert v. Chr. Woher sie stammte, ist nicht ganz klar – man nimmt heute aber an, dass sie der ägyptischen Oberschicht angehörte. Sie gebar Echnaton sechs Töchter und spielte sowohl im religiösen als auch politischen Leben eine bedeutende Rolle.

In dieser Rubrik stellen wir jeweils ein Kultwerk vor, das jeder einmal gesehen haben sollte.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 07.12.12

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