Kultwerk #65: Der gute Mensch von Sezuan

Das Theaterstück von Bertolt Brecht wurde vor 70 Jahren am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt.

1-B519-P16-1967 (865178)Brecht, Der gute Mensch v. S., Foto 1967Brecht, Bertolt; Schriftsteller; 1898-1956. Werke: Der gute Mensch von Sezuan(UA 4.2.1943 Schauspielhaus Z¸rich).- Auff¸hrung Berlin, Schlossparktheater;Regie: Hans Schweikart (Bild: Bildarchiv Pisarek / akg-images)

Das Theaterstück von Bertolt Brecht wurde vor 70 Jahren am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt.

Die Frage nach dem Ursprung des Bösen in der Welt hat in Zeiten von Finanzkrise, Konflikten und Terrorismus nichts an Aktualität eingebüsst. Der Mensch beutet Mitmenschen aus, unterdrückt oder ermordet sie gar. Wie kann die Existenz des Bösen und des Übels in der Welt mit Gottes Allmacht und Güte vereinbar sein? Genau dieser Frage ging Bertolt Brecht in seiner Parabel «Der gute Mensch von Sezuan» nach:

Drei Götter kommen auf die Erde mit dem Auftrag, gute Menschen zu finden. Denn die Welt kann nur bleiben, wie sie ist, wenn die Menschen darin menschenwürdig leben können. In der Provinz Sezuan treffen die Götter auf die Prostituierte Shen Te – weit und breit der einzig gute Mensch. Sie ist bereit, nach den Geboten der Götter zu leben, allerdings wird ihre Gutmütigkeit ausgenützt und es fehlen ihr die Mittel, um zu leben. Also schlüpft sie in die Rolle eines Mannes (Shui Ta), schlägt sich so skrupellos durch – und verhält sich ganz konträr zum «Engel der Vorstädte».

Zum dramatischen Höhepunkt kommt es, als Shui Ta von seinen Mitbürgern des Mordes an Shen Te – also an sich selber – verdächtigt wird. In einer Gerichtsverhandlung rechtfertigt die Verzweifelte ihre Doppelrolle: «Euer einstiger Befehl, gut zu sein und doch zu leben, zerriss mich wie ein Blitz in zwei Hälften. Ich weiss nicht, wie es kam: gut zu sein zu andern und zu mir konnte ich nicht zugleich, andern und mir zu helfen, war mir zu schwer.» Die Götter wollen sich ihr Versagen, keinen guten Menschen gefunden zu haben, nicht eingestehen. Sie ziehen sich wieder zurück, das Dilemma wird dem Leser vorgelegt. Er wird aufgefordert, selbst eine Lösung zu finden. «Soll es ein anderer Mensch sein? Oder eine andere Welt? Vielleicht nur andere Götter? Oder keine?» Vielleicht ist aber auch jeder Einzelne dazu aufgefordert, die Lösung in sich selbst zu suchen.

«Der gute Mensch von Sezuan» ist das am häufigsten aufgeführte Stück von Brecht. Die Entstehung zog sich über viele Jahre hin: Die ersten fünf Szenen schrieb Brecht 1930, doch erst 1942 legte er das Werk nieder – ohne es als abgeschlossen zu betrachten.

Bertolt Brecht
1898 im bayrischen Augsburg geboren, begann Bertolt Brecht nach dem Abitur Medizin zu studieren, doch war seine Leidenschaft das Schreiben. Mit der Verleihung des Kleist-Preises für das Drama «Trommeln in der Nacht» gelang ihm 1922 der Durchbruch, mit der «Dreigroschenoper» 1928 ein erster Welterfolg. Brecht starb 1956 an einem Herzinfarkt in Ost-Berlin.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.02.13

Nächster Artikel