Bob Dylans Song ist so zeitlos, dass ihn das Theater Basel fast 50 Jahre später auf die Bühne bringt.
«Ich finde, das hört sich gut an», sagte Produzent Tom Wilson am 6. Juni 1965 in einem Tonstudio in New York, als die 6 Minuten und 34 Sekunden auf Band waren. Es sollte weit mehr als nur «gut» sein. Das Lied, das der junge Bob Dylan, damals 25 Jahre alt, an diesem Tag aufnahm, markierte neben seinem musikalischen Übergang vom Folk in die Sphäre des Rock wie kaum ein anderer Song der 1960er-Jahre die grossen Veränderungen, die sich anbahnten. Von diesem unaufhaltsamen Fliessprozess kündet schon der Titel: «Like A Rolling Stone».
Das Lied handelt von «Miss Lonely», einem Oberklassenmädchen, das in schönen Kleidern und besten Schulen aufwuchs und gegenüber den Obdachlosen, den Tramps und all jenen, die unter einem weniger hellen Stern in die Welt traten, einen misstrauischen Dünkel pflegte – bis sie selbst auf der Strasse landet. «How does it feel/to be on your own/with no direction home/a complete unknown/like a rolling stone?», fragt der Refrain rhetorisch.
Mit dem Song empörte Dylan seine Plattenbosse, weil er damit sein Image als Folk-Protestsänger über den Haufen warf und weil der Song viel zu lang für das Radiohit-Format war. Dass das Grundthema des Songs über seine Gegenwart hinaus leuchten sollte, zeigte sich 40 Jahre später: Da wählte ihn das amerikanische Musikmagazin «Rolling Stone», sekundiert von einer 172-köpfigen Jury, zum besten Song aller Zeiten.
Unter der Regie von Tomas Schweigen und der Gruppe Far A Day Cage bringt das Theater Basel «Like A Rolling Stone» auf die Bühne. Schweigen geht im Stück dem Versprechen des Songs von einer neuen Zeit nach, die dann doch nicht wie verheissen eingetreten ist. Premiere ist am Freitag, 8. Februar, im Schauspielhaus Basel.
Im selben Jahr veröffentlichte Greil Marcus, Poptheoretiker und einer der bedeutendsten Musikjournalisten der USA, die Wirkungsgeschichte des Stücks. In seinem Buch «Like A Rolling Stone – die Biographie eines Songs» recherchiert Marcus, der sich jahrzehntelang mit Dylans Werk beschäftigte, nicht nur den Entstehungsprozess nach, sondern verfolgt seine Spuren bis ins 21. Jahrhundert. Neben dem ganzen popenzyklopädischen Wissen, das Marcus en passant aufbereitet, adelt er Dylans Song als eine Prophetie: Studentenrevolte, Bürgerrechtsbewegung, Warnung wie Verheissung der kommenden sozialen Ordnungen – von all dem, folgt man Marcus, erzählte Dylans Schnurrgesang.
Darüber hinaus ist «Like A Rolling Stone» über den gesellschaftspolitischen Ton hinaus eine Parabel über die Entfremdung des Einzelnen, die ihn befällt, wenn die haltenden Strukturen erodieren. «How does it feel / to be on your own?» ist, so gelesen, nicht nur die zynische Frage an die gefallenen Mächtigen, sondern kündet hoffnungsvoll von Aufbruch, Utopie und der Suche nach neuen Möglichkeiten.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.02.13