Benjamin Britten würde dieses Jahr 100. Sein «War Requiem» wird nun im Theater Basel aufgeführt.
«Mein Thema ist der Krieg und das Leid des Krieges», schrieb der britische Soldat Wilfred Owen über seinen traumatischen Einsatz in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Owen war 25 Jahre alt, als er eine Woche vor dem Waffenstillstand in Frankreich fiel. Für seine Tapferkeit erhielt er postum einen Militärorden, aber die Gedichte, die er über den Krieg schrieb, liessen jede emphatisch-patriotische Kampfeslyrik vermissen. Er hinterliess mit seinen Werken «Dulce et Decorum Est» und dem «Anthem for Doomed Youth» eine schonungslos realistische wie erschreckende Darstellung des Gas- und Grabenkrieges und wurde damit zu einem der bedeutendsten britischen Kriegsdichter – allerdings erst Jahrzehnte nach seinem Tod im Feld.
Der Komponist, Dirigent und Pianist Benjamin Britten, wie Owen ein Engländer, griff für seine Totenmesse «War Requiem» auf die bitteren Zeilen des gefallenen Soldaten zurück. 1962, zur Neuweihe der im Krieg zerstörten Kathedrale von Coventry, kam das Reqiuem zu seiner Uraufführung und verband Owens Gedichte mit dem katholischen Liturgietext zur Heiligen Messe für die Verstorbenen. Brittens Komposition gedachte in dieser Kombination nicht nur der ewigen Ruhe für die Toten, sondern mahnte eindringlich vor dem Zynismus und der Sinnlosigkeit jeglicher Kriegseuphorie – und setzte gleichzeitig ein Zeichen der Versöhnung. Mitten in einer der heissesten Phasen des Kalten Krieges plante Britten für die Solistenbesetzungen der Uraufführung eine Sopranistin aus der Sowjetunion, einen englischen Tenor und einen deutschen Bariton ein. Ein symbolisches Vorhaben, das auf fast sarkastische Weise scheiterte: Die Sopranistin Galina Wischnewskaja erhielt von den sowjetischen Behörden keine Ausreiseerlaubnis nach England. Erst ein Jahr später, für die Tonträgerproduktion, konnte Brittens völkerverbindendes Projekt mit dem geplanten Personal umgesetzt werden.
Obwohl das Werk rund 90 Minuten dauert und eine Riesenbesetzung aus grossem Chor und Knabenchor, zweigeteiltem Orchester und drei Solisten benötigt, ist «War Requiem» kein pathetisch zelebrierendes Memento Mori. Sondern über weite Strecken eine fast stille, andächtige Klage für die zahllosen Opfer von wahnhaftem Nationalismus und Kriegshetze. Unerbittlich zeitlos, auch im 21. Jahrhundert.
- Premiere im Theater Basel ist am 16. Mai. Den Sopranpart singt mit Svetlana Ignatovich, wie für die Uraufführung geplant, eine Russin.
Benjamin BrittenDie einen hielten seine Musik für konservativ, die anderen für visionär im Umgang mit der Musikgeschichte. Nach der Rückkehr aus der amerikanischen Emigration wurde Britten 1945 mit der Oper «Peter Grimes» weithin bekannt. Die Titelrolle sang sein Lebensgefährte Peter Pears. Britten starb 1976 in Suffolk (UK), seiner Geburtsregion.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.05.13