Kultwerk #93: Die kleine Meerjungfrau

Klein, aber schwer: Die bronzene Meerjungfrau im Kopenhagener Hafen erfreut seit 100 Jahren die Touristen. Dieses Wochenende wird sie gefeiert.

Gedankenverloren schaut die kleine Seejungfrau ins Wasser des Kopenhagener Hafens. (Bild: zVg)

Klein, aber schwer: Die bronzene Meerjungfrau im Kopenhagener Hafen erfreut seit 100 Jahren die Touristen.

Sie ist kleiner, als man denkt. Gerade mal 125 Zentimeter hoch nämlich (dafür jedoch 175 Kilogramm schwer), und damit eines der kleinsten Wahrzeichen der Welt. Trotzdem scharen sich darum herum die Touristen, die Fotoapparate gezückt, und fotografieren sich gegenseitig mit der kleinen Meerjungfrau.

Im Kopenhagener Hafen sitzt die Bronzefigur, auf einen Arm abgestützt, gedankenverloren ins Wasser hinab blickend. Sie hat weder Beine noch den charakteristischen Meerjungfrauenschwanz. Der Künstler, Edvard Eriksen, hat just jenen Moment festgehalten, in dem die Flosse der kleinen, namenlosen Nixe sich in zwei Beine teilt – jener schicksalhafte Moment im Märchen von Hans Christian Andersen, in dem die Meerjungfrau unwiderruflich zum Menschen wird, um dem Prinzen nahe zu sein, in den sie sich verliebt hat.

Andersens Märchen hat viele Umdeutungen erfahren, und ebenso viele Enden erhalten. In einigen Versionen stirbt die Seejungfrau, und selbst das Happy End gibt es, zum Beispiel in der Disney-Filmadaption «Arielle». Bei Andersen selbst wird die Meerjungfrau zum Luftgeist, der 300 Jahre lang Gutes tun soll, um eine unsterbliche Seele zu erlangen. Den Prinzen aber, den bekommt sie nicht.

Kopf weg, Arm weg

Ein melancholisches Märchen ist die «Kleine Seejungfrau», und diese Stimmung gibt die Statue an der Uferpromenade von Kopenhagen wieder. Im August 1913 wurde sie dort aufgestellt. Und seither war sie mehrmals zerstörerischen Übergriffen ausgesetzt: Mehrmals wurde sie Opfer von Farbangriffen, einmal wurde ihr der rechte Arm abgesägt, ein anderes Mal wurde sie gar geköpft – der Aktionskünstler Jørgen Nash zeichnete sich später dafür verantwortlich. Er wollte die nationale Ikone zerstören, weil er den Rummel um sie nicht mehr ertrug. 2003 schliesslich wurde die ganze Figur ins Meer versenkt. So erstaunt nicht, dass man sich inzwischen überlegt, den Platz der Nixe vom Ufer weg, weiter ins Meer hinaus, zu verlegen.

Weil Eriksens Original-Gussformen bis heute erhalten geblieben sind, konnte die Figur zumindest immer wieder originalgetreu restauriert werden.

(Bild: zVg)

Hans Christian Andersen
Der berühmteste Märchenerzähler Dänemarks wurde 1805 in Odense geboren. Seine Erzählungen sind oftmals geprägt von Beobachtungen der Natur, wie er sie seit der Kindheit intensiv betrieb. So entstanden «Die kleine Meerjungfrau», aber auch «Das hässliche Entlein» oder «Die Schneekönigin» sowie viele bekannte Figuren mehr.

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