Vor 25 Jahren veröffentlichte Salman Rushdie den Roman «Die satanischen Verse» – und verbrachte die folgenden Jahre im Untergrund.
Als die von Terroristen entführte Maschine des Flugs AI-420 von Indien nach London über dem Ärmelkanal explodiert, fallen zwei Körper vom Himmel, die wundersam gerettet werden: Gibril, ein erfolgreicher Bollywood-Schauspieler, und Saladin, ein Stimmenimitator. Beide begreifen sie ihr Überleben als Reinkarnation. Gibril erhält einen Heiligenschein, verfällt ob der Überzeugung, als Erzengel gleichen Namens wiedergeboren zu sein, dem Wahnsinn und tötet schliesslich seine englische Freundin und sich selbst. Saladin verändert sich äusserlich in ein teufelsähnliches Ungeheuer mit Hörnern und Fell, gewinnt am Schluss jedoch seine frühere Gestalt zurück und beschliesst sein Leben versöhnt in Indien.
Berühmt und berüchtigt wurden «Die satanischen Verse», vor 25 Jahren erschienen als vierter Roman des 1947 in einer muslimischen Familie im indischen Bombay (heute Mumbai) geborenen Salman Rushdie, wegen einer dritten Romanfigur: Mahound. Mahound ist eine mittelalterliche und frühneuzeitliche europäische Namensvariation des Propheten und islamischen Religionsstifters Mohammed – und antiislamisch aufgeladen: Wurde er früher verzerrend als heidnischer Götze oder bestenfalls als Plagiator von Jesus und Moses dargestellt, dem die «Mohammedaner» huldigten, so betonte Rushdie in seinem Roman die Figur des Religionsstifters, der die alten polytheistischen Gottheiten bekämpft, sich auf einen Berg zur göttlichen Zwiesprache mit dem Erzengel Gabriel zurückzieht und dort neben dem Willen Allahs auch Verse des Satans eingeflüstert erhält, die später widerrufen werden.
Zum Tode verurteilt
Die Passage beruht auf einer alten islamischen Legende, die Rushdie auf den Islamgelehrten at-Tabari zurückführte und seinem Roman den Namen gab. Zusätzlich streute Rushdie homoerotische Andeutungen zwischen Mahound und Gabriel ein und stellte die Ehefrauen des Propheten als Angestellte eines Freudenhauses dar. Diese episodische Passagen sollten den Roman, der auf magisch-realistische wie satirische Weise von den Entfremdungs- und Brutalitätserfahrungen von Migranten handelt, in der nachfolgenden Wahrnehmung prägen.
Kurz nach der Veröffentlichung des Romans verkündete der iranische Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini am 14. Februar 1989 über Radio Teheran: «Ich gebe den stolzen muslimischen Völkern der Welt bekannt, dass der Autor eines Buches, das sich gegen den Islam, den Propheten und den Koran richtet, sowie alle, die an der Veröffentlichung des Buches beteiligt waren, zum Tode verurteilt sind. Ich rufe alle aufrechten Muslime auf, diese Leute sofort hinzurichten, wo immer sie sie finden.»
Khomeinis Rechtsspruch machte – Jahre vor 9/11 – eine bizarre geistige Kluft zwischen dem Westen, wo Rushdie mittlerweile lebte, und der islamischen Orthodoxie sichtbar: In Europa verbrannten Muslime Rushdies Buch, die British Airways erhielt Bombendrohungen, in Asien gab es Tote bei religiösen Protesten, in Japan wurde der Übersetzer des Buches ermordet. Khomeini starb wenige Monate darauf, Rushdie verbachte die Mehrheit der vergangenen 25 Jahre unter Polizeischutz und falschem Namen im Untergrund. Er lebt heute in New York. Der schiitische Gottesstaat Iran hat das Todesurteil bis heute nicht zurückgenommen.
Dem indisch-britischen Schriftsteller Rushdie gelang der internationale Durchbruch im Jahr 1981 mit dem Roman «Mitternachtskinder», seinem zweiten Buch. Er erhielt dafür den Booker-Preis. Weitere Auszeichnungen für andere Werke folgten. 2012 veröffentlichte Rushdie seine Autobiografie – unter dem Titel «Joseph Anton».