Kundgebung in Bern: «100 Jahre Leugnung sind genug»

An einer Kundgebung in Bern haben knapp 1000 Menschen den Bundesrat aufgefordert, die Massaker an Armeniern im Jahr 1915 endlich als Völkermord anzuerkennen. Die Landesregierung dürfe Wirtschaftsinteressen nicht höher bewerten als die Ethik.

Politprominenz, darunter Hollande und Putin, am Freitag in Eriwan. (Bild: sda)

An einer Kundgebung in Bern haben knapp 1000 Menschen den Bundesrat aufgefordert, die Massaker an Armeniern im Jahr 1915 endlich als Völkermord anzuerkennen. Die Landesregierung dürfe Wirtschaftsinteressen nicht höher bewerten als die Ethik.

Handlungsbedarf bestehe auch für die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reichs. «100 Jahre Leugnung sind genug», hiess es auf einem Flugblatt. Ohne die Anerkennung des Völkermords durch die Türkei sei keine Aussöhnung möglich.

Zu der Kundgebung vom Freitagabend aufgerufen hatte das Komitee zum Gedenken des Völkermordes an den Armeniern. Die Demonstration auf dem Münsterplatz in der Altstadt fand im Vorfeld einer Gedenkveranstaltung im Berner Münster statt.

«Die Erinnerung darf nicht erlöschen» lautete der Titel dieser Veranstaltung. Auf dem Programm stand unter anderem die «Missa de Lumine» des in der Schweiz lebenden armenischen Komponisten David Haladjian.

Drei Stadtberner Kirchen erinnerten ebenfalls an die Massaker von 1915 durch Truppen des Osmanischen Reichs. Die römisch-katholische Dreifaltigkeitskirche, die christkatholische Kirche St. Peter und Paul und das evangelisch-reformierte Berner Münster liessen um 19 Uhr ihre Glocken läuten.

Kundgebung mit Türkei-Flaggen

In der Berner Innenstadt gab es am Abend noch eine zweite Kundgebung in 750 Metern Entfernung zum Münsterplatz: Auf dem Waisenhausplatz hatten sich knapp hundert Menschen versammelt, die Türkei-Flaggen mit sich trugen und für Aussöhnung warben.

«Ja zur Freundschaft zwischen Türkei und Armenien» stand auf einem Transparent zu lesen. «Wer dem einseitigen Gedächtnis zuhört, kann die Wahrheit nicht erkennen» hiess es auf einem anderen.

Nach armenischer Darstellung starben ab dem 24. April 1915 bis zum Jahr 1917 auf dem Gebiet der heutigen Türkei bis zu 1,5 Millionen Armenier. Die Türkei spricht von wesentlich geringeren Opferzahlen und weigert sich, die Massaker als Völkermord anzuerkennen.

Schweigeminute in Armenien

Armenien selbst gedachte mit einer Schweigeminute der Opfer der Massaker durch das Osmanische Reich vor hundert Jahren. Armeniens Präsident Sersch Sarkissjan legte am Freitag an der zentralen Gedenkstätte für die hunderttausenden Opfer Blumen nieder.

«Nichts ist vergessen, nach hundert Jahren erinnern wir uns», sagte Sarkissijan. Sarkissjan dankte den internationalen Gästen für ihre Verbundenheit mit dem armenischen Volk. Zugleich forderte er die Türkei auf, die Massaker im Osmanischen Reich als Völkermord anzuerkennen.

An der Zeremonie in der Gedenkstätte auf einem Hügel am Rande der Innenstadt von Eriwan nahmen Frankreichs Präsident François Holland, Russlands Staatschef Wladimir Putin und weitere Politiker aus dem Ausland teil.

Aus der Schweiz war eine Delegation der Parlamentariergruppe Schweiz-Armenien nach Eriwan gereist. Die Delegation wird von den Nationalräten Dominique de Bumann (CVP/FR) und Ueli Leuenberger (Grüne/GE) geleitet. Der Bundesrat liess sich durch Botschafter Lukas Gasser vertreten.

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