Mehrere hundert Personen haben am Samstag in Bern mit einer Kundgebung auf dem Bundesplatz ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Kindern gesetzt. Sie forderten unter anderem eine gesamtschweizerische Strategie gegen häusliche Gewalt und mehr Betten in Frauenhäusern.
Alle zwei Wochen sterbe in der Schweiz jemand an den Folgen häuslicher Gewalt, hielt SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr den Kundgebungsteilnehmenden vor Augen. Gewalt zerstöre Liebe, zerstöre Vertrauen, Hoffnungen und Träume. «Wir sind hier, um dagegen ein Zeichen zu setzen.»
Immer wieder würden Frauen bedroht, gedemütigt, geschlagen und vergewaltigt. Die Leidtragenden seien oft nicht nur die Frauen, sondern auch ihre Kinder. Diese würden ihrer Sicherheit und Geborgenheit beraubt, führte Fehr aus, die auch Stiftungspräsidentin von Kinderschutz Schweiz ist.
Fehr rief weiter in Erinnerung, dass häusliche Gewalt von den Opfern oft gar nicht zur Anzeige gebracht werde. Von den erstatteten Anzeigen würden rund 70 Prozent wieder zurückgezogen.
Wenn potenzielle Täter damit rechnen könnten, wohl gar nicht erst zur Rechenschaft gezogen zu werden, liessen sie sich auch kaum von strengeren Strafen beeindrucken, gab Fehr zu bedenken.
Die Frauenhäuser seien oft so voll, dass jede zweite Frau abgewiesen werden müsse. Hier brauche es mehr Plätze.
Ruf nach gesamtschweizerischer Strategie
Myriame Zufferey vom Vorstand der Dachorganisation der Frauenhäuser der Schweiz und Liechtensteins appellierte an die Landesregierung, eine vom Bund finanzierte, gesamtschweizerische Strategie gegen jegliche Formen von Gewalt an Frauen und Kindern auf die Beine zu stellen.
«Wir wollen keine Basteleien auf Kantons- und Gemeindeebene», betonte Zufferey. Die offizielle Schweiz müsse endlich die Augen öffnen und zur Kenntnis nehmen, dass häusliche Gewalt ein weitverbreitetes Phänomen sei, quer durch alle Gesellschaftsschichten.
Gewalt an Frauen und Kindern, aber auch an Männern, sei kein privates Problem, sondern ein gesellschaftliches. Eine vom Bund finanzierte, gesamtschweizerische Strategie tue not.
Ausserdem brauche es eine bessere und gesicherte Finanzierung des Opferschutzes. Das nationale Parlament müsse zudem umgehend die Europakonvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ratifizieren.
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, hatten verschiedene Organisationen über 4000 Unterschriften gesammelt.
Choreografie mit rosaroten Gummihandschuhe
Die Kundgebungsteilnehmenden trotzten am Samstag in Bern den misslichen Witterungsbedingungen. Mit Ballonen und Fahnen versuchten sie, etwas Farbe auf den grauen, nasskalten Bundesplatz zu bringen. Für einen Farbtupfer sorgte eine Choreografie, für die die Kundgebungsteilnehmenden mit rosaroten Gummihandschuhen ausgerüstet wurden.
Organisiert hatten die Kundgebung die Dachorganisation der Frauenhäuser der Schweiz und Liechtensteins gemeinsam mit den Organisationen «16 Tage gegen Gewalt» und «violence que faire», wie aus einer Mitteilung hervorgeht.
Die Kundgebung in Bern war zugleich der Auftakt zur alljährlichen Kampagne «16 Tage gegen Gewalt». Die Kampagne wurde jüngst mit dem Trudy-Schlatter-Preis der Frauenzentrale Bern ausgezeichnet. Die Kampagne wurde vom Christlichen Friedensdienst initiiert.