Wie kam «entartete» Kunst nach Bern? Vor dem Hintergrund der umstrittenen Gurlitt-Erbschaft wirft das Kunstmuseum Bern in einer Ausstellung mit Werken der Klassischen Moderne einen Blick in die eigene, jüngere Vergangenheit.
Anhand von rund 70 Werken moderner Meister wie Paul Klee, Franz Marc, Johannes Itten oder Ernst Ludwig Kirchner stellt sich das Berner Kunstmuseum der Auseinandersetzung mit Kunstwerken, die im Deutschen Reich als «entartet» galten und die nach 1933 in den Besitz des Hauses gelangten.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern öffnet am Donnerstag ihre Tore und dauert bis am 21. August.
Immense Vielfalt
Der Rundgang ist strikt chronologisch angeordnet nach dem Erwerbsdatum der Werke durch das Kunstmuseum. Ohne thematische oder kunsthistorische Gliederung der Werke wird eindrücklich sichtbar, wie ungemein vielfältig das Kunstschaffen jener Zeit war.
Eine Vielfalt, die der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland zutiefst zuwider war, wie der Kurator der Ausstellung, Daniel Spanke, am Donnerstag an einem Medienrundgang sagte.
Die Zeichen standen damals in Deutschland auf Führerkult und Gleichschaltung. Wer nicht parierte, wurde ausgegrenzt, und was nicht ins künstlerische Weltbild der braunen Elite passte, wurde als «entartet» verfemt und aus deutschen Museen verbannt.
In zwei Ausstellungen machte die Nazi-Führung 1937 deutlich, was sie sich unter Kunst vorstellte und was nicht. Was als «entartet» galt, darunter Werke von jüdischen Kunstschaffenden oder solche die als «jüdisch» oder «bolschewistisch» beeinflusst galten, wurde aus den deutschen Museen geräumt und zerstört, oder im Ausland verhökert, um die Kriegskassen zu füllen.
Nazi-Ideologie und Landigeist
Das Gebaren der NS-Diktatur konnte auch im Ausland nicht ohne Folgen bleiben. Die Schweiz reagierte auf die Vorgänge in Deutschland mit der sogenannten «geistigen Landesverteidigung», die sich auch der Mittel der Kunst bediente.
Mit dem Vergleich zweier monumentaler Plastiken aus NS-Deutschland und der Schweiz spürt das Kunstmuseum Bern Unterschieden, aber auch einigen Berührungspunkten von Kunst im Lichte von Faschismus und Landigeist nach.
Sammler im Dilemma
Für Schweizer Sammler, wie etwa das Berner Ehepaar Hermann und Margrith Rupf, stellten sich damals heikle Fragen. Sollten sie «entartete» Kunst kaufen, um sie vor der Zerstörung zu retten und damit gleichzeitig Geld in die Kriegskassen des Dritten Reiches spülen?
Solche Fragen hätten die Sammler in ein starkes Dilemma getrieben, schilderte Spanke. So soll es vor einer Auktion von «entarteter» Kunst in Luzern sogar Absprachen unter Sammlern gegeben haben, um die Preise möglichst tief zu halten. Ob sie wirksam waren, sei nicht belegt. Ein Indiz dafür sei aber, dass damals in Luzern viele Bilder unter Wert weg gingen.
Der Weg ins Museum
Auch Museen kamen durch eigene Käufe, Schenkungen, Dauerleihgaben oder Legate in den Besitz von «entarteter» Kunst. «Entartete» Kunst gilt im Übrigen nicht als Raubkunst, da die Nazis die Werke aus eigenen Museumsbeständen liquidierten.
Nicht immer kamen die Museen ganz gewollt zu solchen Besitztümern: Das Kunstmuseum Bern jedenfalls vermochte sich seinerzeit nicht so recht für den aufstrebenden Künstler Paul Klee zu begeistern. Der Verein Freunde des Kunstmuseums zeigte sich da weit mutiger und erwarb ein Bild des Künstlers mit dem Titel «ad Parnassum».
Immerhin habe sich das Museum nicht gegen das Geschenk gewehrt, erzählte Spanke. Heute ist «ad Parnassum» weltbekannt und gilt als Kronjuwel im Schaffen Klees.
Grosse Lücken
Im Licht des umstrittenen Gurlitt-Erbes und im Hinblick auf die Ausstellung «Moderne Meister – entartete Kunst» hat das Kunstmuseum Bern seine Bestände der klassischen Moderne durchforstet und den Stand der Herkunftsforschung dokumentiert.
Bei insgesamt 337 von 525 Werken in der Sammlung besteht Handlungsbedarf, wie Matthias Frehner, Leiter Abteilung Sammlungen am Kunstmuseum Bern und am Zentrum Paul Klee, am Donnerstag vor den Medien ausführte. Bei rund 190 Werken weiss das Museum nichts über die Vorbesitzer.
Am Haus soll noch in diesem Jahre ein umfangreiches Provenienzforschungsprojekt solche Lücken schliessen helfen.