Nach dem grössten Kurzsturz seit acht Jahren setzt sich die Talfahrt an Chinas Börsen fort. Der Composite Index in Shanghai eröffnete am Dienstag mit einem Minus von vier Prozent. Der Component Index in Shenzhen verlor zu Handelsbeginn ebenfalls rund vier Prozent.
Nach Ansicht von Analysten werde der Handel am Dienstag weiter nervös verlaufen. Aus Angst, die Hilfen der Regierung zur Stabilisierung der Märkte könnten bereits wieder verpufft sein, hatte sich am Vortrag eine Panik unter Anlegern breitgemacht. Die Börse in Shanghai fuhr mit einem Minus von 8,5 Prozent den grössten Tagesverlust seit Februar 2007 ein.
Daraufhin hatte der chinesische Marktregulierer Stabilisierungskäufe angekündigt sowie ein verstärktes Vorgehen gegen Investoren, die auf fallende Kurse wetten. Die andauernden heftigen Kursverluste in China belasteten auch die Börse in Tokio. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte büsste am Dienstag bis zur Handelsmitte um 191,47 Punkte oder 0,94 Prozent ein und notierte beim Zwischenstand von 20’158,63 Zählern. Der breit gefasste Topix gab bis dahin um 18,66 Punkte oder 1,14 Prozent auf 1619,24 Punkte nach.
Experten glauben zwar, dass eine ausgewachsene Finanzkrise in China weiterhin unwahrscheinlich ist. Ein anhaltendes Börsenbeben könnte sich aber auf das Wachstum der zweitgrössten Volkswirtschaft der Erde auswirken. «Wenn es der Regierung nicht gelingt, das Vertrauen in die Märkte wieder herzustellen, wird China sein Wachstumsziel von sieben Prozent bis Ende des Jahres kaum erreichen», heisst es in einer Analyse der australischen ANZ Bank.
Aktien auf Kredit gekauft
Zuletzt hatten Chinas Aktienmärkte eine extreme Berg- und Talfahrt hingelegt: Getrieben von Privatanlegern, die in grossem Stil Aktien auf Kredit kauften, war der Leitindex in Shanghai binnen eines Jahres um über 150 Prozent gestiegen. Mitte Juni begann dann ein rasanter Kurseinbruch. Innerhalb von nur 18 Handelstagen verlor der Index 32 Prozent an Wert. Mit radikalen Eingriffen gelang es der Regierung, zunächst die Kurse zu stabilisieren.
Die Zentralbank senkte die Zinsen auf ein Rekordtief, zudem setzten Behörden neue Börsengänge aus. Die chinesische Börsenaufsicht CSRC initiierte mit Geld der Zentralbank ein riesiges Kaufprogramm für Aktien. An der Börsen notierte Unternehmen erhielten zudem die Genehmigung, sich selbst vom Handel auszusetzen. Bis zu 50 Prozent der an den Börsen des Landes gehandelten Aktien waren zwischenzeitlich eingefroren.
Regierung unzufrieden
Die Regierung dementierte am Montag Berichte, wonach sie die Rettungsversuche bereits aufgegeben hätte. Die Behörden werden «die Bemühungen zur Stabilisierung der Märkte fortsetzen», sagte Zhang Xiaojun, Sprecher der chinesischen Börsenaufsicht CSRC.
Die für Wirtschaftssteuerung zuständige Behörde nannte die Wachstumsdynamik Chinas am Dienstag allerdings «unzureichend». Der Kapitalfluss in die Realwirtschaft sei nicht reibungslos, sagte der Generalsekretär der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC), Li Pumin, auf einer Pressekonferenz in Peking. NDRC-Vertreter Gao Gao ergänzte, er sei nicht optimistisch, was die Aussichten für die Nachfrage aus dem Ausland angeht.