La Maison

Ein neues Schuljahr beginnt. Die Jugend ist am verblöden. Germain, der Gymnasiallehrer der Literatur, hat das Recht, das so zu sehen. Seit über zwanzig Jahren unterrichtet er Poetik, und stösst doch jedes Jahr erneut auf das alte Unverständnis. Wo soll er nur die Kraft hernehmen, wenn ihm nach den Ferien wieder so eine neuer Haufen […]

Ein neues Schuljahr beginnt. Die Jugend ist am verblöden. Germain, der Gymnasiallehrer der Literatur, hat das Recht, das so zu sehen. Seit über zwanzig Jahren unterrichtet er Poetik, und stösst doch jedes Jahr erneut auf das alte Unverständnis. Wo soll er nur die Kraft hernehmen, wenn ihm nach den Ferien wieder so eine neuer Haufen gegenübersitzt, mit dem er wieder von vorne beginnen muss?

Ein neues Schuljahr beginnt. Und die Jugend ist am verblöden. Germain, der Gymnasiallehrer der Literatur, hat das Recht, das so zu sehen. Seit über zwanzig Jahren unterrichtet er Poetik, und stösst doch jedes Jahr erneut auf das alte Unverständnis. Wo soll er nur die Kraft hernehmen, wenn ihm nach den Ferien wieder so eine neuer Haufen gegenübersitzt, mit dem er wieder von vorne beginnen muss?  Germain trifft in seinem Schulalltag nur sehr selten auf stinkbegabte Schüler. Noch seltener trifft er auf seinen Wunsch selber stinkbegabt gewesen zu sein. Als Claude in seiner Klasse sitzt trifft er auf beides.

Ausgerechnet mitten in der Schulreform, wo die Schuluniform wieder eingeführt wird, um die Eigentumsverhältnisse der Eltern in den Intergrund zu rücken, ragt ein Schüler aus allen anderen heraus. Claude. Während nämlich der Rest der Gymnasiasten mittelmässig langweilige Aufsätze schreibt, zeigt er unter den Uniformierten literarische Verve.

Claude beschreibt eine Familie, als hätte er sie hautnah beobachtet. Er beschreibt sie mit ungewöhnlichen Worten. Er schafft es, aus der Beschreibung Spannung zu destillieren. Germain widmet sich dem Talent, führt ihn, mal behutsam, mal forsch in die Gesetze der Dramaturgie ein, lässt ihn die Regeln der Poetik erproben, stellt sich selber in der Dienst des Stoffes, findet sich gar damit ab, zu einem Teil des Beschriebenen zu werden, bis die Fiktion ihn einholt. Dass er dabei nicht nur sich selber noch einmal erfindet, sondern auch Claude ermuntert, die beobachtete Familie weiter zu erdichten, führt zu einem spannenden Krimi: Erst als der befreundete Schüler sich im Dachzimmer erhängt, will Claude aus der Fiktion in die Wirklichkeit zurück – zu spät. Oder besser: Gerade früh genug, um noch einmal zurückzukehren an jenen Punkt, an dem er seine Wirklichkeit im Stich gelassen hat.

François Ozon hat im Theaterstück von  Juan Mayorga eine Geschichte vorgefunden, die auch zwischen den Deckeln eines Groschenromanes Platz fände. Aber Ozon ist ein Meister aller Stile. Er nimmt eben diese Einfachheit als Herausforderung an. So ganz nebenbei lässt er uns teilnehmen an der Erfindung seines Drehbuches. Ja, er lässt sogar seine Figuren sich einmischen in den Fortlauf der Geschichte. Er führt uns am Gängelband durch seine Erfindung und wirft uns mit jeder Einstellung von Neuem in das Spannungsfeld filmischer Kreation: Zwischen der Bedeutung des Bildes und dem Inhalt des Bildes lässt er uns hin- und hertanzen, führt uns am Gängelband in die Irre, belehrt die Hauptfigur, lässt den Lehrer der Hauptfigur selbst zur Hauptfigur werden, bis er wieder zu uns zurückkehrt, und uns am Schluss die ganze Wirklichkeit noch einmal vorführt: Wir können jetzt selber aussuchen, welche Geschichte wir demnächst erfunden haben möchten, welche Figuren unserem Kunstanspruch denn am besten entsprächen. Ganz nebenbei führt Ozon nämlich einen höchst vergnüglichen Diskurs über Kunst und Kommerz in der intellektuellen Klasse, und endet mit einem bösen Kommenta über den Verlust der Repräsentanz von Kunst in der medialen Welt: Kunst, die sich nicht verkaufen will, ist keine.  

 

 

Nächster Artikel