Karl der Grosse hat als visionärer Herrscher Europa geformt und Bildung und Gesellschaft reformiert. Zu seinem 1200. Todestag zeigt das Zürcher Landesmuseum in der Ausstellung «Karl der Grosse und die Schweiz» vor allem die Nachwirkungen seiner Reformen auf das kulturelle Erbe.
Der karolingische Herrscher (geb. 748 – gest. 814) wurde am Weihnachtstag des Jahres 800 im Petersdom in Rom zum Kaiser gekrönt und schon zu Lebzeiten «der Grosse» genannt.
Ein Teil der Geheimnisse seines Erfolges waren seine «unglaubliche Führungsgabe und sein Sendungsbewusstsein», sagte Jürg Goll, Mitherausgeber des Buches «Die Zeit Karls des Grossen in der Schweiz», am Mittwoch vor den Medien.
«Karl der Grosse war auch unser Kaiser»
Mit seinem politischen und kulturellen Reformwerk hat Karl der Grosse das Mittelalter geprägt und in vielen Bereichen die kulturellen Grundlagen der Schweiz geschaffen, die geografisch mitten im Fränkischen Reich lag. «Karl der Grosse war auch unser Kaiser», sagte Kuratorin Christine Keller.
Der Rundgang durch die Ausstellung, die rund 200 Exponate von 48 Leihgebern umfasst, ist in acht thematische Schwerpunkte gegliedert. Nach einer Einführung werden unter anderem Karls intensive Kontakte zur geistigen Elite seiner Zeit aufgezeigt und seine Reformen im Bildungs- und Münzwesen dargestellt.
Der Herrscher liess mit der karolingischen Minuskel – dem Kleinbuchstaben – eine neue einheitliche Schrift einführen, die die Basis heutiger Druckschriften bildet. Er gründete Schulen, baute Klöster und regelte das Leben der Mönche. Karl der Grosse schaffte die Goldmünze ab und schuf mit dem silbernen Denar eine Einheitswährung, also praktisch den «ersten Euro».
Kirche und Religion
Träger seiner Reformen waren die Klöster, von denen Karl mehr als 230 errichten liess. Zu sehen ist in der Ausstellung auch der berühmte St. Galler Klosterplan. Ein Modell verdeutlicht zudem, wie sich die Theologen damals eine ideale Klosterstadt vorgestellt haben.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden Buch- und Elfenbeinkunst. Eine der gezeigten wertvollen Handschriften ist das «Liber Viventium», das im Kloster Pfäfers entstanden ist, aber auch das älteste Vaterunser in deutscher Sprache ist in Zürich zu sehen. Ob Karl selbst lesen und schreiben konnte, ist nicht bekannt. Möglicherweise musste er sich aus seiner umfangreichen Bibliothek vorlesen lassen.
Das aus der Domschatzkammer Aachen stammende goldene Brustkreuz Karls des Grossen, das in seinem Grab gefunden wurde, zeigt den Herrscher als gläubigen Christen. Zu sehen sind ausserdem weitere Kirchenschätze und wertvolle Seidenstoffe, in die Reliquien eingeschlagen waren, oder Bauschmuck wie kunstvolle Flechtwerksteine.
Bauherr und Mythos
Der visionäre und machtbewusste Herrscher pflegte ein umfassendes Netzwerk und zeigte auch persönlich Präsenz in seinem ausgedehnten Herrschaftsbereich. Dafür reiste er mit einem bis zu 3000 Personen umfassenden Hofstaat und liess im ganzen Reich verteilte Herrschaftssitze, die Pfalzanlagen, erstellen.
Eine dieser repräsentativen Bauten entstand auf dem Lindenhof in Zürich. Ob er selbst jemals hier war, ist nicht belegt. Doch zahlreiche Legenden betonen die besondere Beziehung Karls zu Zürich. So habe er angeblich das Grossmünster bauen lassen, nachdem er dort die Gebeine der Stadtheiligen Felix und Regula gefunden habe.