Die wiederholten rassistischen und antisemitischen Ausfälle von Jean-Marie Le Pen gingen selbst in seiner eigenen rechtsextremen Partei vielen zu weit. Jetzt wird er praktisch aus der Partei geworfen. Le Pen will sich das nicht gefallen lassen.
Frankreichs rechtsextreme Partei Front National (FN) hat die Mitgliedschaft von Parteigründer Jean-Marie Le Pen ausgesetzt. Das teilte die Partei am Montagabend nach Beratungen des FN-Exekutivkomitees mit. In drei Monaten sollen die Parteimitglieder überdies darüber entscheiden, ob ihm der Titel des Ehrenpräsidenten entzogen werden soll.
Le Pen verurteilte die Entscheidung vom Montag als «Treuebruch» seitens seiner Tochter, Parteichefin Marine Le Pen. Er sei überzeugt, dass die Parteimitglieder über die Vorgehensweise des Exekutivkomitees «empört» sein werden und kündigte an, einen möglichen Einspruch gegen die Entscheidung prüfen zu wollen.
Bruch zwischen Vater und Tochter
Zwischen dem Parteigründer und seiner Tochter war es Anfang April zum Bruch gekommen. Der 86-Jährige hatte unter anderem erneut die Gaskammern der NS-Konzentrationslager als «Detail» der Geschichte bezeichnet.
Die wiederholten rassistischen und antisemitischen Ausfälle des Parteigründers gefährden den Kurs seiner Tochter, die der Front National ein gemässigteres Image geben und sie damit für breitere Schichten wählbar machen will.
Sie will ihren Vater nun politisch kaltstellen und zwang ihn bereits zum Verzicht auf eine Spitzenkandidatur bei den Regionalwahlen im Dezember. Am Sonntag sagte Marine Le Pen, ihr Vater solle nicht mehr im Namen der Front National sprechen dürfen.
«Absolut unschuldig»
Das Exekutivbüro als höchstes Parteiorgan der Front National beriet am Montag schliesslich über disziplinarische Massnahmen gegen den Parteigründer; der langjährige Europaabgeordnete war vorgeladen worden. Der 86-Jährige erschien zwar am Vormittag in der FN-Parteizentrale in Nanterre westlich von Paris. Er verliess das Gebäude aber vor Beginn der Sitzung wieder.
«Ich weigere mich, zum Exekutivbüro zu gehen», sagte Le Pen und verglich das Gremium mit einem «Gericht», das seine «Würde» verletze. Er sei «absolut unschuldig». «Ich spreche frei, was einige Leute schockiert.» Mit seinen verbalen Entgleisungen ging Le Pen zuletzt selbst in seiner eigenen rechtsextremen Partei vielen zu weit.
Stärkste Partei Frankreichs
Marine Le Pen sagte laut der Zeitung «Le Figaro», ihr Vater habe nicht das Recht, über «Leben und Tod» der Front National zu entscheiden. Der 86-Jährige «verträgt den Gedanken nicht, dass die Front National ohne ihn voranschreiten und gute Ergebnisse erzielen kann, mit einer Strategie, die nicht die seine ist und an die er nie geglaubt hat».
Jean-Marie Le Pen hatte die Front National 1972 mitgegründet und rund vier Jahrzehnte angeführt. Anfang 2011 trat er die Parteiführung an seine Tochter Marine ab.
Diese verfolgt die Strategie, die Partei zu «entdämonisieren» – offenbar mit Erfolg: Bei den Europawahlen vor einem Jahr wurden die Rechtsextremen mit rund 25 Prozent der Stimmen erstmals in ihrer Geschichte Frankreichs stärkste Kraft.