Mit einem Streik haben Lehrer in Frankreich gegen eine umstrittene Schulreform protestiert. Landesweit gaben Lehrerinnen und Lehrer am Dienstag keinen Unterricht, in Dutzenden Städten waren Demonstrationen geplant.
Laut dem Erziehungsministerium beteiligte sich an den öffentlichen Mittelschulen rund jeder vierte Lehrer an dem Streik, eine Gewerkschaft sprach von mehr als jedem Zweiten.
Die Reform der Collèges genannten Mittelschulen sei «unverzichtbar» und werde umgesetzt, sagte Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem. Sie wolle aber auf jede «Sorge» der Lehrer eingehen und sei offen für Diskussionen, betonte die 37-Jährige.
Sie hatte das als politischen Schleudersitz bekannte Bildungsministerium im vergangenen August übernommen und muss nun ihre erste grosse Bewährungsprobe durchstehen.
Rückendeckung bekam sie von Premierminister Manuel Valls. «Ich bin zuversichtlich, dass diese Reform wie geplant umgesetzt wird», sagte der Premier. Ein entsprechendes Dekret werde «so schnell wie möglich» veröffentlicht.
Seit längerem Debatte
Die geplante Reform sorgt schon seit Wochen für erregte Debatten in Frankreich. Die regierenden Sozialisten sehen wegen des schlechten Abschneidens französischer Schüler in internationalen Vergleichstests dringenden Reformbedarf beim Collège, einer vierjährigen Gesamtschule zwischen Grundschule und Gymnasium.
Zentrale Punkte der Reform sind mehr Autonomie für die Collèges, eine Verstärkung der Einzelbetreuung von Schülern und ein Ausbau des interdisziplinären Angebots.
Auf heftigen Widerstand unter anderem der konservativen Opposition und von Intellektuellen stossen unter anderem Pläne, den Latein- und Altgriechischunterricht in seiner bisherigen Form abzuschaffen und die Sprachen in interdisziplinären Kursen zu Sprachen und Geschichte der Antike zu unterrichten.
Deutschunterricht soll früher beginnen
Reformiert werden soll auch das Deutschangebot an den Mittelschulen: Allgemein soll mit der zweiten Fremdsprache ein Jahr früher begonnen werden als bisher, und zwar in der siebten Klasse.
Im Gegenzug sollen aber spezielle Angebote gestrichen werden, bei denen zwei Fremdsprachen – häufig Englisch und Deutsch – bereits ab der sechsten Klasse unterrichtet werden. Die Klassen gelten zwar als Erfolgsmodell, für die sozialistische Regierung profitieren aber mit nur rund 15 Prozent der Schüler zu wenige vom Angebot.
Die Pläne haben auch die deutsche Regierung auf den Plan gerufen, die befürchtet, in Frankreich könnte als Folge der Reform die Zahl der Deutschschüler sinken. Vallaud-Belkacem bekräftigt dagegen, mit der Reform werde der Deutschunterricht gestärkt.
Ähnlich äusserte sich Frankreichs Staatschef François Hollande am Dienstag nach einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Berlin. In Folge der Reform würden künftig «mehr junge Franzosen Deutsch lernen als heute». Zudem sollten Hunderte Deutschlehrer zusätzlich eingestellt werden.
Merkel betonte: «Wir sind der festen Überzeugung, dass das Erlernen der gegenseitigen Sprache ein wesentlicher Punkt ist.» Sie wolle dafür sorgen, dass das Interesse an der französischen Sprache in Deutschland aufrechterhalten werde.