Unterschätzt, belächelt und wieder unterschätzt. So wird Leicester City letzte Saison Sensationsmeister in England. In Deutschland spielt sich verblüffend Ähnliches ab. Leicester heisst hier Leipzig.
Samstag, 18.30 Uhr, ist die attraktivste und begehrteste Anspielzeit in der Bundesliga. Der Schlager am Samstagabend. Zu Beginn der Saison hätten wohl nicht viele gedacht, dass dem Spiel zwischen Leipzig und Schalke in der ersten Dezemberwoche dieser exklusive Termin zugeteilt werden würde. Aber jetzt ist es so. Und der erste Grund für die Wahl zum Spiel der Runde ist nicht einmal das etablierte Schalke, sondern der Aufsteiger und vermeintliche Nobody RB Leipzig.
Den höchsten Bekanntheitsgrad hat Leipzig noch nicht erlangt. Bayern Münchens Trainer Carlo Ancelotti jedenfalls hatte kürzlich grösste Mühe mit der Aussprache. Er landete schliesslich bei einem «Leizpig», und er fragte beim neben ihm sitzenden Münchner Medienchef nach, ob dies korrekt sei. Am Ende der Saison wird es der Italiener vielleicht besser wissen als mancher andere.
Dabei war der Saisonstart der Leipziger eher noch bedächtig gewesen. Bevor die Meisterschaft begann, schied der sächsische Yuppie-Klub Leipzig gegen den sächsischen Traditionsklub Dynamo Dresden nach der Verlängerung aus dem Cup aus. In drei ihrer ersten fünf Bundesliga-Partien spielten sie unentschieden. Aber seither haben sie ihre Bilanz auf neun Siege und drei Remis in zwölf Spielen verbessert. Damit halten nicht einmal die Bayern mit.
Leipzigs erfolgreicher österreichischer Trainer Ralph Hasenhüttl muss seine Spieler allmählich darauf einstellen, dass sie in den Meisterschaftsspielen die Favoriten sind und sich vermehrt auf eher defensiv eingestellte Gegner gefasst machen müssen. Das wird möglicherweise schon im Heimspiel gegen Schalke so sein. Die Gelsenkirchner liegen nach ihrem Fehlstart 13 Punkte hinter den Ostdeutschen.
Ärger oder Neid?
Der Respekt vor den sportlichen Leistungen ist gross, doch kleinere Sticheleien kann sich Schalke vor dem Spiel beim Emporkömmling nicht verkneifen. «Leipzig ist aktuell die beste Mannschaft in Deutschland. Das Sportliche machen sie überragend», lobte Schalkes Sportvorstand Christian Heidel.
Allerdings liess Heidel auch durchblicken, dass sich seine Sympathien für den von Red Bull unterstützten Verein in Grenzen halten. «Leipzig ist ein Klub, der am Reissbrett entstanden ist. Kein Verein, den es seit sieben Jahren gibt, kann diese Emotionalität eines Traditionsvereins wie Schalke haben», sagte Heidel halb aus Ärger, halb aus Neid. Wegen der finanziellen Möglichkeiten sei Leipzig «kein gefühlter Aufsteiger», aber alles sei absolut legitim: «Und ich bin überzeugt, dass Leipzig sich über viele Jahre in der Bundesliga in der Spitzengruppe halten kann und wird.»
Rein sportlich hat die Partie genügend Reiz. Das Team von Ralph Hasenhüttl und dem jungen Stürmerstar Timo Werner – er traf als bester deutscher Skorer der Liga schon sieben Mal – baute auf seine erstklassige Verfassung.
Beide Teams absolvierten ihre letzten Trainings unter Ausschluss der Fans, um Spionen keine Chancen zu lassen. «Wir werden Leipzig eine Aufgabe stellen, und dann werden wir sehen, ob RB sie so gut löst wie in den letzten Wochen», sagte Schalkes Coach Markus Weinzierl, den RB-Sportdirektor Ralf Rangnick gern nach Leipzig gelotst hätte.