1926 fanden vier junge Männer auf dem Grossen Aletschgletscher den Tod. Ein Mathematiker und ein Zürcher Glaziologe haben nun den Weg ihrer Leichen im Eis per Computermodellierung rekonstruiert. Demnach wurden die Männer zehn Kilometer weit und in 250 Meter Tiefe verfrachtet.
An einem Mittag im März 1926 trafen vier Männer, drei von ihnen Brüder, auf der Hollandiahütte oberhalb des Grossen Aletschgletschers ein. Laut Augenzeugen brachen sie am Nachmittag zu einer Tour zum Konkordiaplatz auf, wo sich drei mächtige Firnströme zum Grossen Aletschgletscher vereinen, wie die ETH am Donnerstag mitteilte. Es war das letzte Mal, dass man sie lebend gesehen hatte.
86 Jahre später fanden zwei englische Alpinisten die sterblichen Überreste der drei Brüder, die vom Gletscher aufgenommen worden waren. Vom vierten Mann fehlt nach wie vor jede Spur. Jetzt haben Guillaume Jouvet von der Freien Universität Berlin und Martin Funk von der ETH Zürich mit Modellrechnungen den Ort errechnet, an dem die Männer zu Tode gekommen sein müssen.
Die Rekonstruktion lasse vermuten, dass sie erfroren seien, berichten die Forscher im «Journal of Glaciology». Ihr Modell berücksichtigt die Fliesseigenschaften des Gletschers, also Geschwindigkeit, Wachstum und Schwund. Damit grenzten sie ein Gebiet von 1600 mal 3000 Metern ein, in dem die Alpinisten verschwunden sein müssen.
Deformierte Knochen
Gemäss dem Modell haben die Körper mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 122 Metern pro Jahr insgesamt rund 10,5 Kilometer im Eis zurückgelegt. 1980 waren sie etwa 250 Meter tief im Gletscher vergraben, bei einem Druck von 20 Bar, dem Zwanzigfachen des Luftdrucks. Darauf wiesen die deformierten Knochen hin, schreiben die Forscher.
Nach 1980 erreichten die Leichen den Konkordiaplatz. Die Bewegungskurve biegt danach nach rechts ab, und das Geschwindigkeitsdiagramm verdeutlicht, dass die Transportgeschwindigkeit auf bis zu 200 Meter pro Jahr anstieg.
Die Simulation der wandernden Leichen hilft den Forschern nach eigenen Angaben dabei, ihr Modell zu überprüfen. Dieses soll dazu dienen, die zukünftige Entwicklung des Aletschgletschers in einem sich verändernden Klima zu simulieren.
Dass die Vermissten trotz wochenlanger Suche nicht gefunden wurden, könnte daran liegen, dass tagelanger starker Schneefall die Opfer bedeckte, glauben die Forscher. Laut Messungen soll der Schnee, der nach dem 4. März 1926 gefallen ist, bis zum nächsten Winter nicht getaut sein.