Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht zunehmend Anzeichen für ein Ende der Krise in Europa. Noch sei die Lage fragil, aber es zeichne sich eine Erholung ab, sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt.
„Das Vertrauen in die Finanzmärkte der Eurozone kehrt zurück.“ Die Gefahr, dass Turbulenzen in einzelnen Staaten auf die gesamte Währungsunion übergriffen, sei deutlich gedämpft. Das sei ein weiteres positives Signal. Allerdings müssten die Regierungen ihren Reformkurs fortsetzen.
Zudem traut die Europäische Zentralbank (EZB) der Wirtschaft im Euroraum eine schnellere Erholung von der tiefen Rezession zu als bisher erwartet. „Die Wirtschaftsleistung sollte sich im ersten Halbjahr stabilisieren“, sagte Draghi. Alle Stimmungsindikatoren seien ermutigend. In der zweiten Jahreshälfte 2013 erwartet die Notenbank eine schrittweise Konjunkturerholung.
Dass die EZB ihre Konjunkturprognosen für die 17 Euroländer dennoch erneut leicht senkte, erklärte Draghi vor allem mit dem schwachen Schlussquartal 2012. Nach der jüngsten Prognose wird die Wirtschaft im Währungsgebiet 2013 in einer Spanne von minus 0,9 Prozent bis minus 0,1 Prozent schrumpfen. Bislang hatte die EZB ein Minus von im Mittel 0,3 Prozent genannt.
Für 2014 erwartet die EZB nun ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Euroraum von 1,0 Prozent – nach 1,2 Prozent in der Dezember-Prognose.
Die Inflationsprognosen wurden kaum verändert. 2013 dürften sich die Konsumentenpreise im Euro-Raum um 1,6 Prozent erhöhen. Für 2014 nahm die EZB die Schätzung leicht von 1,4 auf 1,3 Prozent zurück.
Leitzins bleibt bei 0,75 Prozent
Über eine weitere Zinssenkung, die die Konjunkturerholung befeuern könnte, wurde im EZB-Rat am Donnerstag zwar diskutiert, wie Draghi nach den Beratungen erklärte. Letztlich habe die „vorherrschende Meinung“ im Rat aber gegen einen derartigen Schritt gesprochen.
Der Leitzins bleibt damit auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent. Seit Juli 2012 könnten sich Geschäftsbanken zu diesem Satz bei der Notenbank frisches Geld besorgen.
Ökonomen hatte damit gerechnet, dass Europas Währungshüter die Geldschleusen nicht noch weiter öffnen würden – obwohl die Unsicherheit nach den Wahlen in Italien wieder gestiegen war.
Krisenstaaten wie Griechenland, Irland, Portugal und Spanien hätten unangenehme Sparmassnahmen umgesetzt und müssten nur noch kleinere Einschnitte vornehmen, bilanziert Holger Schmieding, Chefökonom bei Berenberg. Italien habe seine Hausaufgaben gemacht: „Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass die Euro-Zone die Rezession im Herbst hinter sich lässt.“
Experten bezweifeln zudem die Wirkung einer weiteren Zinssenkung. „Die konjunkturellen Effekte eines solchen Schrittes würden äusserst gering ausfallen“, sagt Stefan Schilbe, Chefökonom der HSBC Trinkaus & Burkhardt.
Prognosen wichtig für Zinsentscheide
Die Ökonomen des Euro-Systems – also der EZB und der nationalen Notenbanken der Währungsunion – erstellen ihre Prognosen vierteljährlich. Obwohl sich der EZB-Rat die Vorhersagen der Volkswirte offiziell nicht zu eigen macht, kommen ihnen sowohl bei den Zinsentscheidungen als auch als Signal für mögliche künftige Schritte der Währungshüter erhebliche Bedeutung zu.