Wer an der Basler Fasnacht wenig mit greller Musik, wildem Treiben auf der Strasse und dialektalem Reim-Gesang anfangen kann, findet facettenreichen poetischen Zauber im vergänglichen Freiluft-Kunstmuseum auf dem Münsterplatz: der Laternen-Ausstellung vom Dienstag.
Obwohl inhaltlich das Terrain seit der Sujet-Bekanntgabe vor Jahresbeginn abgesteckt ist, bieten die «Ladäärne» Überraschungen, wie all die Themen auf kleiner Fläche hinterleuchtet und portabel umgesetzt werden. Die ganze Palette dieser detailreichen Kunstform kann man vor dem Münster in aller Ruhe und aus der Nähe geniessen.
Am Morgenstreich und Cortège sind die Fasnachtslaternen am Montag mit den Cliquen unterwegs. Am Abend dann werden sie in Reih und Glied abgestellt und erst am Mittwochmorgen wieder abgeholt. Schon das Deponieren, wenn Cliquen aus allen Ecken pfeifend und trommelnd einlaufen und der Münsterplatz sich füllt, ist ein Spektakel.
Diktatoren-Fratzen
Heuer hatte auch Petrus am Montag nach stundenlangem Schütten tagsüber ein Einsehen und schloss die Regenhahnen just für das Laternendefilée. Da schon viele Fasnächtler und Besuchende in warme Beizen – wo auch Schnitzelbänke lockten – geflüchtet waren, hielt sich der Andrang draussen vor dem Münster in überschaubaren Grenzen.
Den Homo carnevalicus basiliensis beschäftigt natürlich das Lokale stark: Liebevoll ausgespielt werden 2017 Polizei- und Tram-Affären, Strich-Geschichten oder der ewige Knatsch mit dem gerade klammen Nachbar-Landkanton. Auswärtige dürften da die wenigsten der Akteure kennen und auch viele Textpointen ohne Erklärungen kaum verstehen.
Universelle Themen jedoch sind angesichts der düsteren Weltlage gut vertreten und teils atemberaubend umgesetzt. Trump, Putin, Erdogan oder Kim Jong-un sind allgegenwärtig, von simplen Cartoon-Skizzen bis zu photorealistischen Dämonen. Dazu Kriegsängste, Nazi-Verweise, Mahnungen und provinziell-froschperspektivisches Schulterzucken.
Gott und Gotthard
Keinen kalt lassen dürfte unter dem Sujet «Mensch, was machsch» der flammend apokalyptische Totenschädel der Lälli-Stammclique, die warnt: «Une guerre mondiale, das waer fatal». Ihre Rückseite zeigt Atlas als von menschlichem Chaos überforderten tätowierten Globus-Träger.
Neben alten Griechen-Göttern erleuchten auch zeitgenössische den Platz: So nimmt namens der Basler Rolli ein Bärtiger mit hypnotischem Blick vor schwarzem Hintergrund Rechthaberei und Heuchelei aufs Korn – rückseitig ein Schweine-Zentaur vor einem Kirchenfenster mit tätowierten Kreuzen am Oberarm.
Direkter unter die Gürtellinie zielt der Dupf-Club mit dem Gotthardtunnel-Sujet: «Mir hänn die lengscht Reere» steht unter zwei Arbeitertypen in Macho-Pose mit praller Hose. Auf der Rückseite im 50er-Jahre-Grafikstil reitet Verkehrsministerin Doris Leuthard in tief ausgeschnittenem Löcherkleid à la Dr. Strangelove auf einem Riesenrohr. Ein Vers verweist auf das Basler A2-Rheintunnel-Projekt.
Alte Kunst neu interpretiert
Der Gundeli-Stammclique fällt derweil zur Rentendebatte ein AHV-Fleischwolf ein und Verse wie «Ass alli Ryyche no mee raffe, muess yych bis achtenünzig schaffe!». Zukunftsfragen spiegelt ebenso der kalte Piccolo-Bot frei nach «I, Robot» auf der Laterne der Jungen Basler Bebbi.
Umwelt beschäftigt viele Laternenmaler. Mit am eindrücklichsten bei den Abverheyte, die das «Mare Plasticum» mit Botticellis Venus von Milo darin anprangern – ihr «Find Nemo» in all dem Müll persifliert Disneykitsch giftigst. Klassische Kunst zitieren Cracks sehr gerne; so taucht ein auch Stilleben von Böcklin bei den Birewegge auf. Als witziger Exot fällt ein Dubuffet-Lichtlaufwägelchen der Aigedlige auf.
Künstlerisch-technisch heraus ragen auch die Laternen zum letztjährigen 50-Jahr-Jubiläum des Teenie-Magazins «Bravo» der Jungen Garde (sic!) der Rhyschnoogge, zum Rabenschwarzen Tag der Breo-Stammclique oder ein FCB-Hooligan-Panoptikum mit Eva Aeppli-Anleihen des Sans-Gêne-Stamms.
An den abgestellten Laternen sind nicht alle dazugehörigen Cliquen erkennbar; auch ist nicht jede signiert – auch wenn manche so gut sind, dass man sie daheim aufhängen möchte. So überlagert die Spale-Stammclique ein Schwarzweissfoto-Frauengesicht perfekt mit Comicraster und roter Clown-Nase und -Lippen. Motto: «Kopf hoch» in all der Düsternis – eine düstere Ironie.