Eine einfachere Sanierung, mehr Sicherheit, aber nicht mehr Lastwagen: Mit diesen Argumenten hat Bundesrätin Doris Leuthard am Dienstag die Kampagne für den Bau einer zweiten Tunnelröhre am Gotthard gestartet.
«Der existierende, 1980 gebaute Gotthard-Strassentunnel muss dringend saniert werden», sagte Leuthard am Dienstag vor den Medien in Bern. Damit die Strassenverbindung in den Süden auch während der Sanierung offen bleiben kann, schlägt der Bundesrat den Bau einer zweiten Röhre vor. Das Parlament hatte dem Vorhaben im September 2014 zugestimmt.
Der neue Tunnel soll ab etwa 2020 in sieben Jahren gebaut werden. Anschliessend würde der bestehende gesperrt und saniert. Ab etwa 2030 sollen dann beide Tunnel je einspurig betrieben werden; die zweite Spur würde jeweils als Pannenstreifen dienen.
Die Gegner einer zweiten Röhre glauben aber nicht, dass es bei zwei Spuren am Gotthard bleiben wird. Unter ihnen sind die Alpeninitiative, der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) und die Parteien SP, Grüne und GLP. Sie hatten im Januar das Referendum eingereicht. Am 28. Februar 2016 werden die Schweizerinnen und Schweizer über die zweite Gotthardröhre abstimmen.
Mehr Sicherheit
Der Gotthard-Strassentunnel sei enorm wichtig, auch für den Zugang zu Norditalien – eine permanente Verfügbarkeit sei deshalb elementar, erklärte Leuthard. Zu den Befürchtungen der Gegner sagte sie: «Für vier Spuren müsste die Verfassung geändert werden.»
In Verfassung und im Gesetz sei nämlich vorgesehen, dass pro Richtung jeweils nur eine Fahrspur betrieben werden könne. Dies wollten weder Bund noch Kantone ändern, sagte die Verkehrsministerin.
Zwei Strassentunnel die je einspurig befahren würden, erhöhten überdies die Sicherheit. Kollisionen und Unglücke wie der Brand von 2001 mit elf Toten könnten vermieden werden. Dank dem Pannenstreifen könnten Sanität und Feuerwehr schneller zu einer Unfallstelle gelangen, sagte Leuthard.
Ausserdem werde das seit 2001 praktizierte Dosiersystem für Lastwagen im Gesetz verankert. Dieses sorge dafür, dass nie zu viele Lastwagen gleichzeitig im Tunnel seien und diese einen Mindestabstand einhielten.
Nachhaltiger als Bahnverlad
Der Bau der zweiten Röhre sowie die Sanierung des bestehenden Tunnels sollen insgesamt 2,8 Milliarden Franken kosten. Das sei zwar mehr als eine alternative Lösung mit Bahnverlad, die auf ungefähr 1,5 Milliarden Franken zu stehen käme. Die Investition in eine zweite Röhre sei aber nachhaltig, sagte Leuthard.
Denn eine Sanierung des bestehenden Tunnels stehe alle 30 bis 40 Jahre an – dann könnte die zweite Röhre wieder genutzt werden. Bei einem temporären Lastwagen- und Autoverlad müsste dieser jeweils wieder installiert und auch wieder abgebaut werden. Die jeweiligen Verladestationen bräuchten viel Land; Beschwerden dagegen seien absehbar, sagte die Vorsteherin des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).
Leuthard versicherte zudem, bestehende Strassenbauprojekte würden unter dem Bau einer zweiten Röhre nicht leiden. Engpässe würden wie geplant behoben. Auch die Verlagerung der Güter von der Strasse auf die Schiene sei dadurch nicht gefährdet.
Tessin appelliert an Solidarität
Der Tessiner Staatsrat Claudio Zali appellierte vor den Medien an die Solidarität der Schweiz: «Für das Tessin ist der Gotthard kein Ferientunnel sondern Alltag.» Werde er für eine Sanierung geschlossen, so verliere der Kanton die Strassenverbindung zum Rest der Schweiz. «Kein anderer Kanton wäre bereit, darauf zu verzichten.»
Der Bündner Regierungsrat Mario Cavigelli sagte, bei einer Schliessung könne sein Kanton den Umwegverkehr nicht tragen. Ein Teil der Lastwagen und Autos dürften dann auf die San-Bernardino-Strecke ausweichen. Diese sei schon heute bei einer leichten Kapazitätserhöhung überlastet und im Winter gerade für Lastwagen nur beschränkt befahrbar.