Nach dem Doppelanschlag in einem schiitischen Viertel der Hauptstadt Beirut trauert Libanon um die mehr als 40 Toten. Die Regierung liess am Freitag die Flaggen auf Halbmast setzen. Auch Schulen und Universitäten waren geschlossen.
Zugleich wurden die Sicherheitsvorkehrungen aus Angst vor neuen Gewalttaten verschärft, wie libanesische Medien berichteten. Regierungschef Tammam Salam rief für Freitag einen Tag der nationalen Trauer aus. Der frühere Ministerpräsident Saad Hariri, dessen politischer Block gegen die Hisbollah gerichtet ist, sprach von einer «abscheulichen» Tat.
Die libanesische Regierung forderte alle Parteien zur Versöhnung auf. Alle Seiten müssten ihre Rivalitäten beiseite stellen und das Land gemeinsam aus der politischen Krise führen, sagte Justizminister Aschraf Rifi am Freitag nach einer Sondersitzung des Sicherheitskabinetts. Es müsse endlich ein neuer Präsident gewählt werden.
Die Zahl der Toten stieg nach dem Doppelanschlag in einer Hochburg der schiitischen Hisbollah-Miliz auf 44. Mindestens 239 weitere Menschen wurden verletzt.
Zu der Tat bekannten sich Anhänger der sunnitischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die grosse Gebiete im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien kontrolliert. Die Hisbollah unterstützt in dem Krieg die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Die Hisbollah wird ihrerseits vom Iran gefördert.
Experten: Racheakt der IS-Miliz
Zwei Selbstmordattentäter hatten sich am Donnerstag im vor allem von Schiiten bewohnten Süden Beiruts in die Luft gesprengt. Die beiden Sprengsätze detonierten im Abstand von nur wenigen Minuten.
Es war eines der schwersten Attentate in Libanon seit Jahren. Beobachter halten den neuen Anschlag für einen Racheakt der IS-Terrormiliz gegen die Schiitenpartei Hisbollah. Zuletzt hatten im Sommer 2014 Selbstmordanschläge den Libanon erschüttert.
Auch international wurde der Anschlag scharf verurteilt, darunter von den USA, von Frankreich und Deutschland sowie von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon. Dieser sagte zugleich die anhaltende Unterstützung der Vereinten Nationen zu, die Sicherheitslage im Libanon zu stabilisieren.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sprach von einer «kaltschnäuzigen und verabscheuungswürdigen» Tat.
Über eine Million syrische Flüchtlinge in Libanon
Seit Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien im Jahr 2011 leidet der Libanon unter den Folgen des Konfliktes. Die beiden Ländern sind traditionell eng miteinander verbunden.
Mehr als eine Million Syrer sind vor dem Krieg in den Libanon geflohen. Ihr Anteil an den Einwohnern des Libanons beträgt somit ein Viertel. An der Grenze zu Syrien kommt es regelmässig zu Gewaltaktionen zwischen Extremisten und der Armee.
In dem multikonfessionellen Land teilen sich Sunniten, Schiiten und Christen nach einer jahrzehntealten Abmachung die Macht. Der Bürgerkrieg im benachbarten Syrien blockiert jedoch seit Monaten die Politik, weil die Gruppen unterschiedliche Konfliktparteien unterstützen.
Die Regierung kann somit keine grundlegenden Entscheidungen treffen. Die Wahl eines Präsidenten ist daher mehrfach gescheitert, obwohl die Amtszeit des christlichen Staatsoberhauptes Michel Suleiman im Mai 2014 ausgelaufen ist.