Überraschende Wende im deutschen Bahnstreik: Die Lokführergewerkschaft GDL will ihren Streik als «Versöhnungsgeste» am Samstag um 18 Uhr statt erst am Sonntagmorgen beenden. Das kündigte der Gewerkschaftschef Claus Weselsky am Freitag in Frankfurt an.
Unmittelbar davor hatte das Landesarbeitsgericht Hessen den Ausstand auch in zweiter Instanz als rechtmässig anerkannt. «Wir könnten den Streik bis Montag, 4 Uhr, fortsetzen», sagte GDL-Chef Weselsky. Zuvor hatte die GDL einen Vorschlag der Bahn abgelehnt, zur Feier der deutschen Wiedervereinigung am Sonntag wenigstens den Berlin-Verkehr vom Streik auszunehmen.
Bahn-Personalchef Ulrich Weber sagte angesichts des vorgezogenen Streikendes, dass sich damit der Einsatz der Bahn vor den Gerichten gelohnt habe: «Das ist ein gutes Zeichen für unsere Kunden und unsere Mitarbeiter.»
Ein Drittel der Züge
Die GDL-Lokführer hatten ihre Arbeit im Güterverkehr schon am Mittwoch niedergelegt, im Personenverkehr in der Nacht zum Donnerstag – und sich damit in Politik und Öffentlichkeit viel Kritik eingehandelt. Millionen Bahnreisende mussten improvisieren und sich ein auf schmales Zugangebot einstellen.
Die Bahn fuhr am Freitag am zweiten Tag des Ausstands im Personenverkehr wie am Vortag nach Ersatzfahrplänen, mit denen sie rund ein Drittel der Personenzüge und die Hälfte der Güterzüge auf die Schiene brachte.
Unter den aufrecht erhaltenen Personenzug-Verbindungen waren auch Basel-Berlin oder Zürich-Hamburg. Die Destinationen wurden wie üblich im Zwei-Stunden-Takt bedient. Auch zwischen Köln und Paris sowie Frankfurt und Amsterdam lief der Betrieb normal. Starke Einschränkungen gab es bei Verbindungen nach Ostdeutschland, wo sich mehr Lokführer an dem Streik beteiligen als im Westen.
Bahn scheitert vor Gericht
Der Bahn-Konzern hatte bis zum Freitag vergeblich versucht, die Arbeitsniederlegung gerichtlich verbieten zu lassen. Schon das Frankfurter Arbeitsgericht hatte in erster Instanz einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung abgelehnt.
Laut Gerichtsentscheidung verstösst der Arbeitskampf nicht gegen die Friedenspflicht und ist auch verhältnismässig. Die Forderungen der GDL seien nicht widerrechtlich.
Der Entscheidung waren stundenlange Verhandlungen über einen Vergleichsvorschlag der Arbeitsrichterin Ursula Schmidt vorausgegangen.
Der Vergleich scheiterte letztlich daran, dass die GDL bereits in den Schlichtungsplan hineinschreiben wollte, dass es bei der Bahn verschiedene konkurrierende Arbeitsverträge geben könne. Das lehnte Bahn-Anwalt Thomas Ubber ab. «Wir können keine Ergebnisse der Verhandlungen hier vor Gericht vorwegnehmen», sagte er.
Die Lokführergewerkschaft fordert für die Beschäftigten mehr Geld sowie eine kürzere Arbeitszeit und will neben den Lokführern vor allem auch das übrige Zugpersonal in Verhandlungen vertreten. Für das Zugpersonal verhandelt aber bislang die GDL-Konkurrentin EVG, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Die Bahn will konkurrierende Verträge einzelner Berufsgruppen verhindern.