Grossbritanniens Regierung will die Brexit-Verhandlungen trotz der Niederlage vor Gericht wie angekündigt im März beginnen. Der Zeitplan bleibe gültig.
Das versicherte Premierministerin Theres May in Telefonaten mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, wie ein Londoner Regierungssprecher mitteilte. Deutschlands Aussenminister Frank-Walter Steinmeier, der seinen britischen Amtskollegen Boris Johnson am Freitag in Berlin zum Antrittsbesuch empfing, warnte vor einer «Hängepartie». Diese nutze keinem etwas.
Ein Gericht hatte am Donnerstag entschieden, dass die britische Regierung den EU-Austritt des Landes nicht ohne Zustimmung des Parlaments erklären darf – eine klare Niederlage für May, die das bisher nicht für notwendig hielt.
Sobald Artikel 50 der EU-Verfassung aktiviert ist, hat Grossbritannien zwei Jahre Zeit, mit der EU die Trennungsmodalitäten auszuhandeln. Die Briten hatten am 23. Juni in einer Volksabstimmung entschieden, aus der EU auszutreten.
Die EU hatte die britische Regierung von Anfang an dazu gedrängt, den Austrittsprozess rasch zu starten. Die Abgeordneten im Londoner Unterhaus, die sich vor dem Referendum mehrheitlich für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hatten, könnten das Verfahren nun zusätzlich in die Länge ziehen: Sie könnten etwa mehr Informationen über die Verhandlungsstrategie der Regierung und ein Bekenntnis zu weiterhin engen Beziehungen zu den EU-Partnern einfordern.
Für «weichen» Austritt
Der ehemalige Vize-Premierminister Nick Clegg von den Liberaldemokraten kündigte bereits an, sich zusammen mit anderen EU-freundlichen Abgeordneten für einen «weichen» EU-Austritt einzusetzen. Ein «harter» Brexit würde bedeuten, dass Grossbritannien sich vollständig aus dem EU-Binnenmarkt zurückzieht.
Die EU-Kommission erklärte am Freitag lediglich, dass die Briten allein über den Start der Verhandlungen entscheiden müssten. Der Brexit sei momentan «eine britische Angelegenheit», sagte eine Kommissionssprecherin in Brüssel. «Der Zeitplan liegt in den Händen der britischen Behörden.»
«Kein Raum» für Vorverhandlungen
Johnson sagte in Berlin, man dürfe die Entscheidung des High Court nicht überbewerten. Sie sei nur ein Schritt in einem juristischen Verfahren. «Ich denke nicht, dass das den Prozess aufhalten wird.»
Die britische Regierung geht gegen das Urteil vor und ist nach eigenen Angaben zuversichtlich, vor dem höchsten britischen Gericht doch noch Recht zu bekommen. Die Anhörungen finden voraussichtlich Anfang Dezember statt, mit einem Urteil wird aber nicht vor Weihnachten gerechnet.
Steinmeier machte erneut deutlich, dass Vorverhandlungen vor dem offiziellen Beginn des Austrittsprozesses für Deutschland nicht in Frage kommen: Er sehe dafür «keinen Raum».
Es gehe auch nicht, dass man über einen erleichterten Zugang zum EU-Binnenmarkt für die Briten rede und sie andererseits die «weniger attraktiven Teile» der EU ablehnten. «Wir warten jetzt erst mal ab, wie die britische Positionierung zum Austrittsantrag ausgeht, und dann sollten die Verhandlungen schnellstmöglich beginnen.»
Deutschland zähle darauf, dass Grossbritannien im Umgang mit Krisen und Konflikten auch künftig ein enger Partner bleibe, sagte Steinmeier. Johnson betonte, dass die Austrittsverhandlungen der Briten mit Brüssel «mit der richtigen Einstellung» zu einem Gewinn für beide Seiten werden könnten.
Regierungserklärung geplant
Für Montag hat die britische Regierung eine Erklärung zu dem Urteil im Parlament angekündigt. Theresa May ist währenddessen zu Besuch in Indien.
Bei Brexit-Befürwortern sorgte das Urteil vom Donnerstag für Empörung. Der Chef der EU-kritischen Ukip-Partei, Nigel Farage, warnte in einem Gastbeitrag für den «Telegraph» vor einem «Brexit-Betrug». Die Boulevardzeitung «Daily Mail» titelte gar mit Porträts der drei Richter und der Schlagzeile «Feinde des Volkes».