Mit einer Vergewaltigungsszene hat das Royal Opera House in London Entrüstung geerntet. Intendant Kasper Holten verteidigte am Mittwoch die Szene in Rossinis «Guillaume Tell», kündigte aber an, das Publikum werde mit einem Hinweis vor der drastischen Sequenz gewarnt.
Die dargestellte Gruppenvergewaltigung werfe ein «Schlaglicht auf die brutale Wirklichkeit von Frauen, die während Kriegszeiten missbraucht werden», sagte Holten. Sexuelle Gewalt sei eine «tragische Tatsache» von Kriegen.
Über dem altehrwüdrigen Opernhaus war nach der Premiere eine Welle der Empörung und des Unverständnisses zusammengeschlagen, angeführt von den Theaterkritikern grosser Zeitungen. Die «Times» kritisierte die Szene als «unentschuldbar scheusslich» und zeigte Verständnis für die lauten Buh-Rufe, die eine Minute lang andauerten und das Orchester zu einer Pause zwangen.
«Eine Überreaktion? Nein, wenn man 20 Männer aus dem Chor sah, wie sie eine Frau vorwärts stossen, sie verhöhnen, sie entblössen und dann im Rudel vergewaltigen» – und alles möglichst so nah wie möglich am Publikum.
Der «Guardian» verurteilte eine «sich hinziehende und lüstern voyeuristische Gruppenvergewaltigung», die für die Inszenierung «völlig überflüssig» gewesen sei. «The Telegraph» konstatierte einen «himmelschreienden Widerspruch» zum Geist der Musik Rossinis. Allerdings räumte die «Times» auch ein, Buh-Rufe, insbesondere bei Premieren, kämen offenbar immer mehr in Mode.