Tom Lüthi gehört in der am Sonntag in Katar beginnenden Saison zu den Topfavoriten auf den Moto2-Titelgewinn. Nach WM-Rang 2 strebt der Berner heuer den nächsten, entscheidenden Schritt vorwärts an.
Besser als in der zweiten Saisonhälfte 2016 sah man Tom Lüthi wohl noch nie fahren. Auch nicht in seinem Weltmeister-Jahr in der 125-ccm-Kategorie. Dies sieht auch der 30-jährige Emmentaler selbst so: «2005 geschah vieles einfach mit mir. Die Erfolge im letzten Jahr geschahen hingegen viel bewusster.» Nach seinem schweren Sturz im August in Brünn setzte Lüthi ab Silverstone zu einer Erfolgsserie mit drei Siegen innert fünf Grands Prix an. Den Titelkampf gegen den nachmaligen Weltmeister Johann Zarco hielt er bis zum zweitletzten Saisonrennen offen.
Wie im Vorjahr heisst Lüthis wichtigste Bezugsperson im Team Gilles Bigot. Der erfahrene Franzose, seit 31 Jahren im GP-Rennsport dabei, war 1999 Cheftechniker beim 500-ccm-Titelgewinn des Spaniers Alex Crivillé. Diese Position nimmt er auch in Lüthis Crew ein. Heuer wisse man noch besser, wie der andere ticke, so Lüthi. Der 14-malige GP-Sieger erhofft sich dank der verfeinerten Zusammenarbeit mit Bigot den «nächsten Schritt vorwärts».
«Natürlich will ich Weltmeister werden»
Ob diese Fortschritte in seiner achten Saison in der Moto2-Kategorie zum angestrebten WM-Titel führen werden, darüber mag Lüthi zum jetzigen Zeitpunkt nicht spekulieren: «Natürlich will ich besser sein als im letzten Jahr und will ich Weltmeister werden. Aber das wollen viele. Zudem ist die Saison wie immer lang, und es kann so viel passieren an den 18 Rennwochenenden.»
Dass neben dem Franzosen Zarco – er nach zwei gewonnenen Moto2-Titeln in Folge – auch der spanische WM-Dritte Alex Rins und der fünftklassierte Brite Sam Lowes in die MotoGP-Klasse aufgestiegen sind, will der Berner Routinier nicht überbewertet wissen. Es gebe in der Moto2 weiterhin viele gute Fahrer, so Lüthi.
Durchzogene Vorbereitung
Der 233-fache GP-Starter aus dem Westschweizer Team CarXpert Interwetten denkt dabei neben dem Japaner Takaaki Nakagami, dem Schnellsten der abschliessenden Testfahrten in Katar, vor allem auch an Franco Morbidelli. Der 22-jährige Italiener steht zwar noch ohne GP-Sieg da, doch stand er in der zweiten Hälfte der letzten Saison in sieben von neun Rennen auf dem Podest. Ab August und dem GP von Österreich bis zum Saisonfinale in Valencia holte er knapp mehr Punkte als Lüthi und deutlich mehr als Titelverteidiger Zarco.
«Morbidelli ist stark. Das hat er bei den Tests bereits wieder gezeigt», sagt Lüthi, der seine eigene Vorbereitung, gerade auch die Testfahrten zuletzt in Jerez und Katar, als eher durchzogen einschätzt: «Es lief sicher nicht immer top. Doch daneben gab es auch immer wieder Lichtblicke.» Der Berner ist aber froh um die Trainings ab Donnerstag, die ihm auf dem Circuit in Losail noch verbleiben. Bis zum Rennen werde er parat sein, verspricht Lüthi.
Aegerter: Missglückte Hauptprobe
Im Gegensatz zu seinem Berner Kantonskollegen blickt Dominique Aegerter auf zwei Saisons zurück, in welchen er nicht die erhofften Resultate erreichte. Der Oberaargauer verliess deshalb das CarXpert-Team, bei welchem er seit seinem GP-Debüt im Oktober 2006 unter Vertrag stand. Aegerter wechselte nach Deutschland zu Kiefer Racing, wo er statt auf Kalex wieder auf einem von ihm bevorzugten Suter-Motorrad fahren kann. Auf einem solchen hatte er 2014 den 5. WM-Schlussrang belegt und auf dem Sachsenring seinen bislang einzigen GP-Sieg gefeiert. Für Suter Racing aus Turbenthal ist es nach einem Jahr Unterbruch die Rückkehr in die mittlere WM-Kategorie.
In der Vorbereitung auf diese Saison hielt Aegerter teils gut mit der Spitze mit. Bei den Tests in Jerez reichte es ihm in fast jeder Session in die Top 10. In der Endabrechnung war der 26-Jährige aus Rohrbach Vierter, zur Bestzeit des Spaniers Alex Marquez fehlten ihm nur drei Zehntel. Doch bei den Übungsfahrten zuletzt in Katar tat sich Aegerter schwer. Als 23. büsste er fast 1,8 Sekunden auf die Spitze ein.
Sein neuer Teamchef Stefan Kiefer sprach danach von «grossen Schwierigkeiten», auf welche man gestossen sei. Aegerter seinerseits befand nach dem enttäuschenden Abschluss der Vorbereitungen, «dass wir in den nächsten Tagen die Hausaufgaben erledigen müssen». Mittels sorgfältiger Datenanalyse will er zusammen mit seinem Cheftechniker Jochen Kiefer die möglichst beste Abstimmung finden, um im Rennen konkurrenzfähig zu sein. Nichtsdestotrotz brennt Aegerter auf seinen ersten GP-Start seit September. Punkte gab es für den Berner gar letztmals Mitte August in Österreich (10. Platz).
Raffin mit Aufwärtstendenz
Jesko Raffin punktete 2016 in der Moto2-Klasse in vier Grands Prix. Der 8. Platz im verregneten Rennen auf dem Sachsenring war dabei sein klar bestes Ergebnis. Lange musste der 20-jährige Zürcher um seine Zukunft in der GP-Szene bangen. Erst durch Aegerters überraschenden Abgang wurde bei CarXpert ein Platz frei. In den Tests zeigte Raffin von Jerez (25. Platz) zu Losail (16.) eindeutig Aufwärtstendenz. Für ihn geht es heuer darum, mit grosser Regelmässigkeit in die Top 15 und zwischendurch in die ersten zehn vorzustossen.