Die Tickets für Brasilien sind reserviert. In Albanien (Spielbeginn 20.30 Uhr) bietet sich der topklassierten und ungeschlagenen Schweizer Auswahl die Chance, den ersten WM-Matchball zu verwerten.
Über die gesamte Kampagne betrachtet ist primär die Konstanz die entscheidende Qualität der Schweizer, die sie vom Rest der Gruppe diskussionslos abhebt. Alle übrigen Konkurrenten hatten im ersten oder zweiten Teil der Ausscheidung mit erheblichen Schwankungen zu kämpfen. Island (Niederlage gegen Zypern), Slowenien (zwei Niederlagen zum Auftakt) und Albanien (im Herbst bislang ohne Punktgewinn) büssten im falschen Moment zu viele Punkte ein.
Ottmar Hitzfelds Equipe hingegen manövrierte sich nur einmal in eine ungemütliche Lage – beim 4:4 gegen Island. Jene 35 ungenügenden Minuten fallen in der Bilanz (bislang) nicht ins Gewicht, weil die SFV-Auswahl ihre temporäre Auszeit beim bedeutenderen Rendez-vous in Oslo sofort souverän korrigierte. Und darum ist die Zuversicht des SFV-Selektionärs nur logisch: «Wir können uns den Traum Brasilien am Freitag erfüllen.»
Das 2:0 in Norwegen ist als starkes Signal zu werten, wie robust, stilsicher und smart geführt das sukzessive verjüngte Team inzwischen ist. Die Schweizer haben einen Sinn dafür entwickelt, wie sie sich unter Druck zu verhalten haben. Und ihr Selbstvertrauen ist nach 17 Monaten und elf Spielen ohne Niederlage gross genug, um auch Widerstände überwinden zu können, um heikle Passagen spielerisch zu bewältigen. Sie besitzen die taktische Flexibilität, auf Planänderungen der Kontrahenten angemessen reagieren zu können.
Hitzfeld hat die aktuell überaus erfolgreiche Mannschaft nach der teaminternen Zäsur im März 2011 (Rücktritte von Frei und Streller) entworfen. Das Out für die EM-Endrunde war im Zuge der Umgestaltung zwar nicht mehr abzuwenden, aber der Nationalcoach hatte vorgespurt und sich für die richtigen Wortführer entschieden: Gökhan Inler, bisher auf und neben dem Rasen ein Captain ohne den geringsten Fehltritt, der makellose Keeper Diego Benaglio, die besonnene und einflussreiche Stimme im Hintergrund, Valon Behrami, unerschütterlicher Schwerarbeiter und zentrale Integrationsfigur zugleich.
Die hohe Stabilität – die Schweiz ist im FIFA-Ranking unter die Top 14 vorgerückt – ist nicht nur eine Frage der Klasse, sie ist eben auch das Ergebnis kluger Personalentscheide des Trainerstabs. Hitzfeld generiert die Stärke aus dem Innern – und er wägt permanent ab, welche Strömungen hilfreich sind, wie die Mechanismen spielen. Nach der missratenen Schlussphase gegen Island beispielsweise gab «OH» spürbar Gegensteuer, nahm sofort Einfluss, räumte Zweifel aus, schirmte ab, dämmte eine allfällig negative Ambiance ein. Kurzum: Der Deutsche hat mit seinem berechnenden Coaching das Risiko minimiert, vom WM-Kurs abzukommen. In Tirana wird der langjährige Bayern-Stratege nicht von seiner Linie abweichen. Auch in Albanien, sportlich in einer tieferen Klasse einzuordnen, aber wegen der zahlreichen Connections zur Schweiz ein «spezielles» Pflaster, hat Hitzfeld im Kopf bereits alle Szenarien archiviert.
Die veraltete Arena in der albanischen Metropole liegt in Gehdistanz zur noblen Unterkunft der SFV-Delegation. So kurz der Weg zum Schauplatz des möglichen WM-Glücks ist, dem bisher unangefochtenen Leader der Gruppe E steht ein Abend voller Emotionen bevor. So freundlich wie am Zoll dürfte der Empfang im Stadion nicht mehr ausfallen. Die Anhänger bezahlen nicht für Erinnerungsfotos Eintritt. Einheimische Beobachter rechnen auf und neben dem Terrain mit kräftigen Adrenalinschüben. Von Lorik Cana, dem feurigen Antreiber mit Junioren-Vergangenheit in der Romandie, sind keine Gastgeschenke zu erwarten.
An einer sportlichen Zuspitzung vor eigenem Publikum gegen Slowenien (und einen allfälligen Fernkampf mit Island) ist kein Schweizer interessiert. Deshalb sind die Vorgaben klar: erster Matchball verwerten, ohne Zaudern, ohne Zögern, ohne Angst- und weiterhin ohne Auswärtsgegentor. «Wir wollen hier mit einem Sieg alles klären», stellte Hitzfeld in den letzten Tagen mehrfach klar.
Albanien – Schweiz. – Qemal Stafa. – Heute, 20.30 Uhr. – SR Proença (Por).
Die möglichen Aufstellungen:
Albanien: Berisha (Kalmar/Sd); Lila (Giannina/Grie), Mavraj (Greuther Fürth), Cana (Lazio Rom), Agolli (Agdam Karabach/Aser); Roshi (FSV Frankfurt), Migjen Basha (Torino), Bulku (Sepahan/Iran), Rama (Valladolid); Kace (PAOK Saloniki); Salihi (Jiangsu Sainty/China).
Schweiz: Benaglio (Wolfsburg); Lang (Grasshoppers), Schär (Basel), Von Bergen (Young Boys), Rodriguez (Wolfsburg); Behrami (Napoli), Inler (Napoli); Shaqiri (Bayern München), Xhaka (Mönchengladbach), Stocker (Basel); Seferovic (San Sebastian). – Abwesend: Lichtsteiner (Juventus Turin/verletzt).