Wenn Zweisprachige die Sprache wechseln, so ändert sich auch ihr Geschlechterbild, etwa was „männliche“ oder „weibliche“ Berufe sind. Dies ergab eine Studie von Psychologen der Universität Freiburg. Sie untermauert die These, dass zwischen Sprache und Gedanken ein enger Bezug besteht.
Das Team um Pascal Gygax vom Departement für Psychologie wollte herausfinden, ob die Sprache oder die Veranlagung des Sprechers für Geschlechterstereotypen verantwortlich ist. Also testeten sie je rund 60 Studenten der Universitäten Freiburg und Sussex in Grossbritannien, die sowohl Französisch als auch Englisch sprachen.
Die beiden Sprachen unterscheiden sich darin, wie sie Begriffe dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen. In der „Die in einem bestimmten Kontext verwendete Sprache beeinflusst unsere mit ebendiesem Kontext verbundenen Gedanken.“französischen Sprache geschieht dies grammatikalisch – indem etwa ein -e an das Wort gehängt wird (étudiant/étudiante).
Im Englischen hingegen sind Hauptwörter ohne Geschlecht. Der Lesende interpretiert das Geschlecht aus dem Kontext oder seinem Weltwissen. „Nurse“ (Krankenschwester) ist etwa weiblich besetzt, da mehr Frauen diesen Beruf ergreifen.
Stereotypen sind sprachabhängig
Gygax und Kolleginnen aus Freiburg und Norwegen konfrontierten die Studenten mit verschiedenen Sätzen, die entweder geschlechtsneutrale oder für ein Geschlecht typische Berufsbezeichnungen enthielten. Zum Beispiel: „Les musiciens sont sortis de la salle.“ (Die Musiker haben den Saal verlassen).
Dann fragten sie: Kann diesem Satz folgende Aussage folgen: „Un des hommes portait un parapluie“? (Einer der Männer trug einen Schirm), oder: „Une des femmes portait un parapluie“ (Eine der Frauen trug einen Schirm)? Die richtige Antwort lautet in beiden Fällen „ja“, da die männliche Form im Plural für Männer und Frauen gilt.
Es stellte sich heraus, dass es den Teilnehmenden schwerer fiel, die Aussage des zweiten Satzes als richtig zu bewerten, wenn sie den automatischen Geschlechterassoziationen der verwendeten Sprache widersprach.
Im Englischen war dies der Fall, wenn der zweite Satz Konter-Stereotypen enthielt, die Berufsbezeichnung also typischerweise dem gegenteiligen Geschlecht zugeschrieben wird. Im Französischen geschah dies, wenn der Satz von Frauen sprach, ungeachtet der mit dem Beruf verbundenen Stereotypen.
Die Resultate wurden nun im Fachblatt „Bilingualism: Language & Cognition“ veröffentlicht. Je besser die Studenten die Zweitsprache beherrschten, desto stärker übernahmen sie deren Geschlechterassoziationen. Ansonsten entsprach die Zuordnung ihrer ersten Sprache.
Sprache beeinflusst Gedanken
Laut den Forschenden beeinflusst die Sprache demnach, wie Begriffe geistig verarbeitet werden. „Wir stellen fest, dass die Sprache alles andere als unwesentlich ist“, sagt Gygax in einer Mitteilung der Uni Freiburg vom Mittwoch. „Die in einem bestimmten Kontext verwendete Sprache beeinflusst unsere mit ebendiesem Kontext verbundenen Gedanken.“
Diese Ansicht hätten bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Anthropologen vertreten, sagt Gygax. So habe George Orwell in seinem Roman „1984“ ebenfalls die Hypothese aufgenommen, wonach eine Idee nur existieren kann, wenn auch die dafür notwendigen Worte existieren.