Geahnt haben wir es immer schon: Dass die Filmliebe ein Märchen ist. Finden Sie nun selber heraus, wie viele Märchen in dieser Liebesgeschichte stecken. Dann sind Sie auf die Liebe gut vorbereitet: In «Au Bout Du Conte» können Sie sich auf Herz und Nieren testen.
Agnès Jaoui ist eine hellwache Beobachterin. Wenn sie mit Jean-Pierre Bacri ein Drehbuch schreibt, dann besteht die Welt um die beiden herum aus lauter kleinen Zufälligkeiten, die sie sich jederzeit erzählen können. Der Schauspieler Bacri ist vor der Kamera der Meister der Andeutung. Er braucht eine Pointe noch nicht einmal mehr auszusprechen. Wir schmunzeln schon, wenn er anfängt zu murmeln. Die Liebesgeschichte, die Bacri und Jaoui erfunden haben, hat kaum einen narrativen Faden. Aber sie ist voller wunderbarer Zufälle, die erst in der Zusammenschau sich in unserem Kopf zusammensetzen.
Jaoui bebildert diese Liebesgeschichte wie ein Märchen, und doch wirkt ihre Wirklichkeit nicht märchenhaft: Wenn auch ein Fisch durch die Wohnung schwebt, wenn auch die Pflanzen grellbunt wie im Aquarium sind: In Wirklichkeit fiebern wir dem 14. März entgegen, jenem Tag, an dem Pierre sterben soll. Je mehr er darüber nachdenkt, desto mehr kommt er sich vor, als lebe er bereits unter Wasser und nicht unter Menschen.
Ein Suchbild mit Märchen
Überhaupt soll alles an diesem 14. März passieren. Der Tod wie auch die Verlobung. Aus lauter Puzzleteilen baut Jaoui ein Bild der Gesellschaft, wie es sich nach dem Abschied vom Kleinfamilienmodell darstellt. Mit knappen Pinselstrichen setzt die Regisseurin ihr Öl auf die Leinwand: Einzelne Bilder sind wie Gemälde verfremdet. Sie skizzieren die kleinen Leute im Gegenlicht, die Wohlhabenden im Rampenlicht und verbinden alle auf der Suche nach dem Licht der Liebe. So veraussagbar der Film für uns bleibt, so unvoraussehbar scheint allen ihr Leben geworden.
Tatsächlich finden sich unzählige Märchenmotive in der Geschichte versteckt. Pierre ist selbst als Junggeselle nicht ganz von des «Fischers Frau» entfernt. Sie dürfen selber suchen: Motive aus «Aschenbrödel», «Schneewittchen«, «Rotkäppchen», «Dornröschen» sind ebenso zu finden wie «Hänsel und Gretel» und «Die kleine böse Krähe» von Andersen. Und sie werden noch mehr finden.
Alle Figuren tappen in diesem Märchenwald nach den Regeln ihres Lebens, ohne sie ändern zu wollen und ohne die gefundenen Regeln im Zusammenleben zu befolgen: Als lebten sie in verschiedenen Systemen, begegnen sich Mann und Frau, Sohn und Vater, Mutter und Tochter. Alle scheinen sich in «Au Bout Du Conte» dagegen zu stemmen, dass sie Teil eines Märchens sind, dessen Ende vorausbestimmt ist, je mehr sie über die Zufälligkeiten ihres Daseins Bescheid wissen.
Der Film läuft in Basel zurzeit im Kult-Kino Club.