Ableger der italienischen Mafia nutzen die Schweiz laut dem Bundesamt für Polizei nicht nur für Geldwäscherei und als Rückzugsgebiet, sondern auch als Tummelplatz für einfachere Formen der Kriminalität.
Die Behörden haben die Tätigkeiten der Mafia in der Schweiz unterschätzt. Neben Geldwäscherei und Rückzugsgebiet dient die Schweiz auch als Tummelplatz für «einfachere Kriminalität». Dies blieb allerdings lange Zeit verborgen. Vermutlich schon seit 20 Jahren sind italienische Mafiaorganisationen auch in der sogenannten «Basiskriminalität» aktiv, wie das Bundesamt für Polizei (fedpol) in seinem Jahresbericht festhält. Dazu zählen Drogen- und Waffenhandel, Raub oder gewaltsame Geldeintreibungen.
Da sich Mafiaorganisationen stark abschotten, bemerkten dies die Behörden kaum. Erst vertiefte Analysen zusammen mit ausländischen Partnerorganisationen brachten das volle Ausmass ans Licht. Schon im vergangenen Jahr wies das fedpol beispielsweise darauf hin, dass Mafiagruppierungen auch im Drogenhandel auf der Strasse aktiv sind.
Das fedpol geht zudem davon aus, dass mehr Gewaltakte als angenommen Mafiagruppierungen wie der ‚Ndrangheta zuzuordnen sind. Die kalabrische Mafia trage interne Konflikte häufig gewaltsam aus.
Fälle mit Mafiabezug stellen laut Bericht nach wie vor ein Schwerpunkt der fedpol-Tätigkeit dar. Vor allem in den Grenzregionen zu Italien und Deutschland halten sich mutmassliche Mafiamitglieder auf. 171 von 716 Geschäften im Jahr 2012 ordnet das fedpol den Delikten Geldwäscherei und Organisierte Kriminalität zu.
Kein Anschlagsziel für Dschihadisten
Die Bedrohungslage in der Schweiz blieb in der Gesamtbeurteilung des fedpol allerdings unverändert, wie fedpol-Direktor Jean-Luc Vez festhält. Als weitere «Brennpunkte» in der Kriminalitätsbekämpfung nebst der Organisierten Kriminalität nennt das Bundesamt Terrorismus und Menschenhandel.
Die Schweiz stelle nach wie vor kein «primäres Anschlagsziel für Dschihadisten» dar, allerdings komme es im Ausland auch zu Entführungen von Schweizern, heisst es im Bericht weiter. Genutzt werde die Schweiz aber von Dschihad-Gruppierungen als Basis für Aktivitäten im Ausland.
Rückzug von Drahtziehern
Für den Menschenhandel stellt die Schweiz laut fedpol wegen hoher Gewinnmöglichkeiten bei geringem Risiko weiterhin ein beliebtes Ziel dar – hauptsächlich werden Roma-Frauen aus Rumänien, Ungarn und Bulgarien zur Prostitution gezwungen.
Nachdem in der Stadt Zürich brutale Zuhälter zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, haben sich laut fedpol andere Drahtzieher aus der Schweiz zurückgezogen. Allerdings kontrollieren sie das Gewerbe weiterhin aus der Ferne, während «höher gestellte Prostituierte» in der Schweiz die unmittelbare Kontrolle ausüben.