Masse-Nnnnein-Wanderung!

Die Kunde vom Ja zur Masse-Nnnnein-Wanderungs-Initiative erreicht mich, am 10.2., dem Geburtstag von Bert Brecht, mitten im Berlinale Rummel in der «Baiz» unter lauter Menschen mit Migrationshintergrund (schräg gegenüber werden grade die Spuren der Premièren-Party von George Clooneys «Monuments Men» weggeräumt). Die «Baiz» ist eine Kneipe hinter der Volksbühne. Die Menschen, die am «Baiz»- Stammtisch sitzen, […]

Die Kunde vom Ja zur Masse-Nnnnein-Wanderungs-Initiative erreicht mich, am 10.2., dem Geburtstag von Bert Brecht, mitten im Berlinale Rummel in der «Baiz» unter lauter Menschen mit Migrationshintergrund (schräg gegenüber werden grade die Spuren der Premièren-Party von George Clooneys «Monuments Men» weggeräumt). Die «Baiz» ist eine Kneipe hinter der Volksbühne. Die Menschen, die am «Baiz»- Stammtisch sitzen, sind Schweizer, die hier leben und hier arbeiten, also Menschen mit Migrationshintergrund.

Das Rauchen ist erlaubt. Dass es tödlich sein kann stört hier auch am 11.2. niemanden. Migranten leben nicht nur in der Schweiz gefährlich. Ausserdem rauchen nicht nur die Zigaretten, sondern auch die Köpfe: Der Chefredaktor der BaZ (eine Lokal-Zeitung aus der Granzstadt Basel (Kompaktausgabe der BaZ, die man hier selten liest) macht «Anmerkungen zu einem Erdbeben». Somm bringt die Runde mit seiner Ausdrucksweise ins semantische Grübeln.  

Somm spricht von «Sozialmissbrauch». Was meint er damit? Wenn Sozialhilfe-Missbrauch gemeint ist, dann könnte man das verstehen. Es gibt Sozialhilfe-Missbrauch. Der ist strafbar. Aber der Leitartikel spricht auch von «Sozialbetrug»? Betrug und Missbrauch sind Tatbestände. Aber sozial? Wann ist ein Missbrauch sozial? Wenn wir uns gegenseitig missbrauchen? Wäre es, wenn wir uns alle gegenseitig betrügen, ein Sozialbetrug? Im Rauchnebel der «Baiz» tauchen umgehend Beispiele von Sozialbetrug auf. Die Migranten kennen das noch aus ihrer Zeit in der Schweiz. Sie machen eine Liste, die ich hier aber weglasse, weil sonst das Wort «Sozialhilfe» plötzlich zum Beispiel heissen könnte, dass die Bürger auch mal 60 Mia locker machen, um eine «notleidende» Bank zu retten.

Das Wort «sozial» scheint Markus Somm Angst zu machen. Am Stammtisch wird gewitzelt, das Wort sozial sei vielleicht aus dem Wortschatz des Schreibenden aus-, und als Migrantin wieder eingewandert. Doch will man Somm zugute halten, dass er als Sieger der Abstimmung ja triumphiert. Das ist deutlich lesbar. Da kann einem vor lauter Freude auch die in Reden übliche Reihenfolge der Geschlechter verrutschen. Von «Männern und Frauen» ist da die Rede. Baslerinnen, die schon länger in Berlin lebten hatten sich  – bereits lange vor der Annahme der Geschlechterquoten-Initiative – längst daran gewöhnt «Frauen und Männer» zu schreiben. Somm noch nicht.

Entweder stand Somm bei der Niederschrift seiner Anmerkungen unter massivem Euphorie-Endorphin-Einfluss, oder er wollte sich endlich, wie Mörgeli oder Köppel, als Schweizer-Talker auf die Einladungsliste in Deutschen Talkerinnen-Shows schreiben. So einer hielte so gerne Reden ans Schweizer Volk. Und beim Redenhalten sollte man über gewisse Wörter nicht mehr so genau nachdenken.

Als Feierlichkeiten-Rede wollte man Somm die Ungenauigkeiten im Text durchgehen lassen. Er spricht schliesslich auch von einem «legendären Sonntag» – zwei Tage danach- Für eine Legendenbildung ist das selbst im Atomzeitalter doch etwas hurtig. Aber was solls? Redner haben ja oft etwas Pointiertes. Redner denken im Überschwang nicht immer so genau darüber nach, was sie gerade sagen. Um so wichtiger ist es, dass es Journalisten gibt, die aufschreiben, was andere so sagen. Beim Aufschreiben setzt nämlich das Denken meist ein. Das weiss auch Somm, der oft aufschreibt, was andere sagen. Wo in diesem Fall das Denken noch nicht einsetzt, da hilft es, das Geschriebene erneut laut zu lesen. Spätestens dann, das wissen wir alle noch aus der Schule, setzt dann das Denken endgültig ein. Das hätte Somm wissen sollen. Er mag als Journalist genau denken, wenn er aufschreibt, was andere gesagt haben. Aber wenn er selber etwas sagt, dann sollte er es auch mal lesen. Das haben wir dann getan: Mal laut gelesen, wass Somm so schreibt.

Hier der Link (warum eigentlich Link? Wäre Recht nicht angebrachter?) zum Leit-Original-Artikel.

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