«Ich liebe von den Reisen nicht die weiten sondern die – breiten». Johann Peter Hebel, der passionierte Fussgänger, legte Wert darauf, dass die Welt an einem Ort ebenso erfahrbar wird wie beim Weltreisen. Erich Langjahr scheint das zu Herzen gegangen zu sein. Sein Film ist zu Fuss und vor Ort unterwegs – an einem einzigen Berg. Als hätte er sich über Jahre von der Rigi nicht entfernt, präsentiert er uns die Welt in Nahsicht, mit einer grossen entschleunigten Weitsicht.
(Bild: zVg)
«Ich liebe von den Reisen nicht die weiten sondern die – breiten». Johann Peter Hebel, der passionierte Fussgänger, legte Wert darauf, dass die Welt an einem Ort ebenso erfahrbar wird wie beim Weltreisen. Erich Langjahr scheint das zu Herzen gegangen zu sein. Sein Film ist zu Fuss und vor Ort unterwegs – an einem einzigen Berg. Als hätte er sich über Jahre von der Rigi nicht entfernt, präsentiert er uns die Welt in Nahsicht, mit einer grossen entschleunigten Weitsicht.
Die Rigi, seit Jahrhunderten das Ziel von Gängern, ist für einmal ein Zuhause, nicht ein Wanderziel – im Film von Erich Langjahr sind wir mit dabei, in der Zeit der Betrachter und in der Zeit des Betrachteten.
Erst muss der Baum gefällt werden. Während vom Schlittelweg das Kreischen von Kinderstimmen hallt, fallen unter dem Gebrüll einer Kettensäge Tannen. In aller Ruhe wird der Stamm geschält. Als wäre alle Zeit der Welt vorhanden, werden die Balken aufgelegt: In schwindelnder Höhe entsteht ein Alpstall, ein Haus. Mit zeitloser Gelassenheit dürfen wir jedem Schritt folgen. Wie eine Rinde geschält wird. Wie eine Kerbe gehöhlt wird. Wie ein Balken genutet wird. Wie die Armiereisen vernietet werden. Akribisch verfolgen wir das mit dem Blick eines wortlosen Mannes. Der Älpler Märtel Schindler scheint alles zu können. Einen Kleinbagger mit dem Geschick eines Kunstturners auf den Kleinlaster zu laden fällt ihm ebenso leicht, wie eine Herde Ziegen in den Tiertransporter zu zaubern oder einen Zaunpfahl zu spitzen.
Langjahr stellt keine einziges Wort zwischen uns und die Bilder rund um den Berg. Hin und wieder lässt er eine archaische Musik etwas vom Arbeitsrhythmus aufnehmen, während er Märtel Schindler kommentarlos das Seine tun lässt und uns das Unsere erfahren: wie unendlich viel Pioniergeist da oben am Berg gebraucht wird, wie viel Geschick erforderlich ist, um da der Zeit zu trotzen.
Während im Hintergrund die Postkartenwelt sich dehnt, und im Mittelgrund die Touristen kommen und gehen, sind wir in der Nahaufnahme bei einem Bergler, der mit der Beharrlichkeit der Jahreszeiten mithält. Das Haus wächst wie der Bart, das Kalb, das Gras. Die Kamera ist bei aller Mühsal dabei. Des Langen und Breiten lässt uns Langjahr die Zeit des Beobachters und die Zeit des Beobachteten verbringen und hin und wieder auch des Lauschens mit der Musik von Hans Kennel und anderen.
Mark Twain hat an der Rigi ein Stück Schweiz zu Fuss gefunden. August Strindberg hat sich in diesem, wie er es nannte, Paradies, verirrt. Langjahr findet in seinem Film eine faszinierende Sicht auf eine Zeit, die Arbeit noch als Mass kennt. Am Berg der Berge. An der Rigi. Ganz unspektakulär folgt er, ohne auch nur ein Wort des Kommentars über die Bilder zu stülpen, dem manuellen Entstehen eines Hauses. Was auf den ersten Blick so aussieht, als würde er sich einfach viel Zeit gelassen haben, ist bei längerem Hinsehen eine Wanderung durch eine unvirtuelle Welt der kleinen, wirklich grossen Anstrengungen.