Eine bewaffnete Gruppe in Libyen hat die Freilassung des einst einflussreichsten Sohnes von Muammar al-Gaddafi, Seif al-Islam, bekannt gegeben. Die Brigade Abu Bakr al-Sadik teilte am Samstag auf Facebook mit, Seif al-Islam sei am Freitagabend freigelassen worden.
«Er ist ab jetzt frei und hat die Stadt verlassen», hiess es weiter. Die Brigade kontrolliert neben weiteren Milizen die westlibysche Stadt Sintan. Die Freilassung des seit 2011 inhaftierten Gaddafi-Sohnes erfolgte auf der Grundlage eines Amnestie-Gesetzes, welches das Parlament im Osten des Landes erlassen hatte.
Eine Bestätigung vom Anwalt des Gaddafi-Sohnes oder vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC), der sich seit Jahren vergeblich um dessen Auslieferung bemüht, gab es zunächst nicht.
Der Anwalt des Gaddafi-Sohnes beim ICC, Karim Khan, erklärte in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AFP, er könne die Freilassung seines Mandaten «im Moment weder bestätigen noch dementieren». Auch der ICC äusserte sich auf Anfrage zunächst nicht. Im Juli 2016 hatten sich Berichte über eine Freilassung Seif al-Islams als falsch herausgestellt.
Auslieferungsgesuch erfolglos
Seif al-Islam galt lange als möglicher Nachfolger seines Vaters. Vor der Revolte gegen Gaddafi galt er als Befürworter einer Annäherung an den Westen und einer Öffnung des Systems, nach Beginn der Proteste im Februar 2011 befürwortete er jedoch ein hartes Vorgehen gegen die Opposition.
Einen Monat nach dem Tod seines Vaters im Oktober 2011 wurde auch Seif al-Islam gefasst. Zwischen Tripolis und Den Haag entbrannte jedoch ein Streit darüber, vor welchem Gericht er sich verantworten sollte.
Seif al-Islam wurde von Milizen festgenommen, die aus früheren Rebellengruppen hervorgegangen waren, und später in einem von der UNO und von Menschenrechtsorganisationen kritisierten Verfahren in Sintan zum Tode verurteilt.
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte im Jahr 2011 gegen Seif al-Islam einen Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt. Das Gericht wirft ihm vor, die brutale Niederschlagung des im Februar 2011 begonnenen Aufstands gegen den langjährigen Machthaber Gaddafi massgeblich mitgeplant zu haben. Die Auslieferung des Gaddafi-Sohnes forderte der ICC bislang vergeblich.
Machtkämpfe
Im ölreichen Libyen konkurrieren seit dem Sturz von Machthaber Gaddafi 2011 zahlreiche Milizen, Clans und konkurrierende Regierungen um die Macht. Die bewaffneten Gruppen in Sintan lehnen die von der internationalen Gemeinschaft anerkannte, in der Hauptstadt Tripolis ansässige Einheitsregierung ab.
Drei der sieben Söhne Gaddafis wurden während der Revolte gegen ihren Vater getötet. Neben Seif al-Islam steht in Libyen noch sein jüngerer Bruder Saadi vor Gericht. Er muss sich wegen der Bekämpfung der Revolte und der Ermordung eines Fussballtrainers verantworten. Gaddafis zweite Frau, seine Tochter und zwei weitere Söhne flohen nach Oman.